Freitag, 26. April 2024

Eiskalte Schwimmer und Medaillen aus dem heißen Ofen

Was für ein toller Tag am und im Chiemsee. Es ist noch keine Stunde her, dass die Sonne aufgegangen ist. Der See ist spiegelglatt – und vier Grad kalt. Immer wieder lugt die Sonne zwischen den Wolken hervor und spiegelt sich auf dem Wasser. Die Schwimmleinen zwischen den zwei Stegen sind seit dem Vorabend gespannt, die Bahnen sind genau 50 Meter lang.

Alles ist bereit für den 4. Eiskönig, den Eisschwimm-Wettbewerb des TSV Bernau, der Jahr für Jahr viele Könner und ein paar Novizen anlockt. Die Sportler kommen auch wegen der tollen Aussichten nach Prien: Sie haben beim Atmen das tolle Alpenpanorama im Blick, und die Besten bekommen am Abend immer ganz spezielle Preise überreicht.

Impressionen vom Eiskönig

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Nach 500 Metern wird es richtig kalt

Am Vormittag gehen die Routiniers an den Start, auf dem Programm stehen zunächst die 1000 Meter im eiskalten Wasser. Die Königsdisziplin beim Eiskönig. Alle Starter wissen: bei 500 Metern, spätestens bei 600 werden die Finger und die Füße taub. Das Gefühl schwindet, das Schwimmen fällt dann immer schwerer. Viele Schwimmer fragen sich spätestens jetzt: Warum tue ich mir das wieder an? Und sie tun es doch immer wieder. Weil sie es können? Weil sie müssen? Manche sprechen von einer regelrechten Sucht, einer Sucht nach dem Kitzel – und vom tollen Gefühl beim Anschlag. Wenn man weiß: Ich hab es wieder geschafft, hab wieder den inneren Schweinehund überwunden, der Kälte getrotzt.

Die schnellste Zeit über den Kilometer zaubert Julia Wittig (Servus Burghausen) in den See. Sie benötigt für die 1000 Meter 13:26 Minuten – und ist damit auch schneller als alle Männer. Bei den Herren kommt keiner an dem deutschen Mister Eisschwimmen, Christof „Wandi“ Wandratsch vom Keep Frozen Team Aqua Sphere heran. Er schlägt nach 13:38 Minuten an. Der Wandi erzählt später, dass er „nur“ die ersten 200 Meter und die letzten 100 Meter volle Pulle geschwommen sei – zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften im Winterschwimmen, die Anfang Februar in Bled (Slowenien) ausgetragen werden. Er erwarte auf dem Rundkurs im Lake Bled ein Rennen, bei dem am Anfang und am Schluss die Post abgeht. Deshalb das speziell Training unter Wettkampfbedingungen beim Eiskönig.

50 Meter in 26 Sekunden – ohne Startsprung

Der Eiskönig unterstreicht wieder einmal, welche Ausnahmestellung die Schwimmerinnen und Schwimmer aus Burghausen haben: Die vom Erfolgstrainer Stefan Hetzer gecoachten Sportler holen die mit Abstand meisten Titel beim Eiskönig. Tobias Wybierek zum Beispiel schwimmt die 50 Meter Freistil in sagenhaften 26,3 Sekunden – ohne Startsprung wohlgemerkt! Denn beim Eisschwimmen gelten ein paar spezielle Regeln: So werden zum Beispiel alle Rennen im Wasser gestartet. Das ist sicherer, weil die Schwimmer nicht länger komplett unter Wasser sind. Rollwenden sind auch tabu.

In der Mittagspause bitten die Veranstalter die Novizen in den „Pool of Pain“, ins Becken der Schmerzen. Manche Zuschauer nehmen Platz auf den Stühlen, die im knietiefen Wasser stehen und halten – nur für eine paar Sekunden – ihre Füße in den See. Dann das Jedermann-Schwimmen über 50 Meter. Später gehen die Wettbewerbe mit den kurzen Stecken weiter.

Eiskönig Chiemsee
Martin Tschepe Julia Wittig schwimmt die Königsdisziplin 1.000 Meter am schnellsten.

Auch Warmduscher können kalt

Am Start sind viele Wiederholungstäter, Lars Mack aus München und Ulf Karnikowski vom Team Warmduscher zum Beispiel. Die beiden schwimmen in diesem Winter bei fast allen Wettbewerben mit, auch bei der WM in Slowenien und dann bei den Zollhaus Open Ende Februar in Sachsen. Bei ihren vielen Starts sammeln diese Schwimmer Punkte für den Ice Cup.

Die viermal 50 Meter Freistilstaffel zum Abschluss gewinnen – wie könnte es anders sein? – die Schwimmer aus Burghausen, auf Platz zwei landet das zweite Team des Gastgebers TSV Bernau, die „Oide Leid“ (bayerisch für Alte Leut’). Bei Eiskönig läuft nicht alles bierernst ab: Eiskönig und Eiskönigin vom Chiemsee werden nicht die schnellsten Schwimmer, sondern jene, die in der Addition ihrer Zeiten über 50 und 200 Meter Freistil am nächsten an die Durchschnittszeit aller Teilnehmer kommen. Die Männer und Frauen auf dem Podium bekommen gebackene Medaillen: Kekse in Form des Chiemsees mit einer Eins, einer Zwei oder einer Drei drauf geschrieben.

Als Jochen Aumüller und Christoph Fromm vom TSG Bernau schließlich erklären, dass es noch nicht ausgemacht sei, dass der Eiskönig auch im nächsten Winter wieder ausgetragen wird, geht ein Raunen durch die Menge. Alle Eisschwimmer hoffen, dass der TSV es gebacken bekommt, diese coole Veranstaltung im und am Chiemsee 2021 wieder auf die Beine zu stellen.

Zollhaus Open am 29. Februar

Am Samstag, 29. Februar, haben alle, die mal im Eiswasser schwimmen wollen, die Gelegenheit: Die Zollhaus Open finden in einem See bei Hermsdorf in Sachsen statt.

Martin Tschepe
Martin Tschepehttp://www.bahn9.de/
Martin Tschepe ist freier Autor, Swimguide, Freiwasser- und Eisschwimmer des SV Ludwigsburg.

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