Die Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO2max) gilt in der Leistungsdiagnostik als zuverlässiges Instrument, um die Ausdauerleistungsfähigkeit zu bestimmen. Dabei wird im Kern ermittelt, wieviel Sauerstoff ein Sportler im Verhältnis zu seinem Körpergewicht innerhalb einer bestimmten Zeit aufnehmen und verwerten kann. Die Angabe erfolgt einerseits in Milliliter Sauerstoff pro Minute (ml O2/min), pro Kilogramm (ml O2/min)/kg), um die absolut höheren Werte bei großen und schweren Personen ins Verhältnis zu rücken und diesen Wert vergleichbar werden zu lassen.
In den vergangenen Jahren wurde festgestellt, dass im Spitzensport nur noch sehr kleine Verbesserungen in diesem Bereich erkennbar sind. Dort, wo früher bereits im Labor ein Leistungsunterschied klar messbar war, liegen die Topathleten heute mehr oder weniger auf einem Niveau. Das zeigt, um wie viel komplexer die Ausdauerleistung in ihrer Zusammensetzung geworden ist.
Beste Basis für schnelle Zeiten
Im Schwimmsport gilt nach wie vor die pauschale Aussage: Je höher der individuelle VO2max-Wert, umso besser sind die Voraussetzungen für überdurchschnittliche Leistungen. Somit steht dieser Wert als Ausgangspunkt der Leistung, oder anders gesagt: ein guter VO2max-Wert ist die beste Basis, um in Kombination mit anderen leistungsrelevanten Faktoren neue Bestzeiten zu schwimmen.
Sehr gut trainierte männliche Ausdauersportler erzielen Werte zwischen 70 und 80 ml/min/kg. Im Masters- und Leistungsschwimmen zeugen Werte von 50 bis 60 ml/min/kg von hoher Ausdauerleistungsfähigkeit. Bei Frauen liegen die Werte aufgrund anatomischer Unterschiede und körperlicher Disposition im Schnitt rund zehn Prozent unter denen der Männer. Wenn diese Werte also ausschlaggebend sind für die Schwimmleistung, entsteht unmittelbar die Frage: Wie trainiert man diesen Bereich am besten?
Trainingsziel: Hohe Intensitäten
Einfach gesagt, hilft hier vor allem eins: gezielter Trainings-Stress in Form kurzer und hoher Intensitäten im anaeroben Bereich. Also genau dort, wo das Leistungssystem der Atmung mehr oder weniger ausgereizt und damit zu Anpassungen bewegt wird. Im Laufen stehen zu diesem Zweck Bergläufe ganz oben auf der Trainingsliste. Eine Belastung, die sowohl die Kraft fordert, zu sehr hohen Herzfrequenzen und dabei die Atemtätigkeit maximal fordert.
Im Schwimmen bieten sich vergleichsweise dazu folgende Intervallserien an:
Stehvermögentraining: 4 x 50 m mit maximaler Intensität, Pause: 10 s
Anaerobe Intervallserie: 4 x 75 m mit maximaler Intensität, Pause: 60 s
Overload-Training: 4-8 x 20 s Schwimmen am Gummiseil, Pause: 30 s
Tests in Tokio
Auch das seit einigen Jahren sehr populäre Hoch-Intensive-Intervall-Trainings (HIIT) folgt diesem Prinzip. Bekanntheit errangen die kurzen Intervallformen durch verschiedene Untersuchungen. Eine Forschergruppe des National Institute of Fitness and Sports in Tokio um Dr. Izumi Tabata hat sich dieses Themas in einer Untersuchung angenommen, die unter dem Begriff des Tabata-Protokolls bekannt geworden ist. Hier wurden männliche Probanden in zwei Gruppen unterteilt, die jeweils fünfmal pro Woche auf dem Fahrradergometer trainierten. Eine Gruppe absolvierte ein 60-minütiges Grundlagentraining während die zweite Gruppe lediglich vier Minuten kurbeln musste, und zwar jeweils achtmal 20 Sekunden mit maximaler Intensität und 10 Sekunden locker.
Die Untersuchung wurde nach sechs Wochen mit einem überraschenden Ergebnis abgeschlossen. In der Grundlagen-Gruppe verbesserte sich die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) um durchschnittlich neun Prozent – die anaerobe Kapazität änderte sich nicht. Die Gruppe der „Kurztrainierer“ hingegen verbesserte die VO2max-Werte um 15 Prozent und die anaerobe Kapazität um beeindruckende 28 Prozent!
Verschiedene Inhalte kombinieren
Im Prinzip geht es deshalb schwerpunktmäßig um kurze, sehr intensive Belastungen bei kurzen Pausen im Sekundenbereich. Im Schwimmen kann man sich deshalb je nach Hauptlage und Hauptstrecke eigene VO2max-Serien konstruieren, die eine gezielte Ansteuerung der genannten Parameter erlauben. Vorsicht ist aber dennoch geboten: Der alleinige Heilsbringer ist diese Trainingsform nicht. Kombinieren Sie die intensiven Inhalte am besten mit einem langen Ausschwimmen und einer Pause von mindestens zwei, besser drei Tagen zwischen den spezifischen Einheiten. Erholung gehört demzufolge zum Erfolg dazu. Dann entwickelt diese Trainingsform aber auch ihre volle Wirkung.
Holger Lüning (50) ist Sportwissenschaftler und Schwimmtrainer mit über 25 Jahren Erfahrung im Hochleistungssport. Er schwamm er in der Bundesligamannschaft des EOSC Offenbach und gewann im Masterbereich zahlreiche Meistertitel.