Mittwoch, 23. April 2025

Lehrer nach tragischem Unglück verunsichert | Wer haftet bei Unfällen im Schwimmunterricht?

Die Verurteilung zweier Lehrerinnen sorgt aktuell für Unruhe bei vielen Pädagogen. Sie fragen sich: Ist das Risiko beim Schulschwimmen zu groß?

Bäderland Beim Schulschwimmen in Konstanz kam es 2023 zu einem tragischen Unglück.

Ende Februar fiel am Amtsgericht Konstanz ein viel beachtetes Urteil. Nachdem im September 2023 ein Siebenjähriger beim Schulschwimmen ertrunken war, wurden die beiden angeklagten Lehrerinnen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Eine Pädagogin erhielt eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung. Sie muss zudem 10.000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern des verstorbenen Jungen zahlen. Die zweite Lehrerin war zum Zeitpunkt des Unglücks noch Referendarin. Sie erhielt sechs Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 7.000 Euro.

Bei der Urteilsverkündung zeigte sich der Vorsitzende Richter davon überzeugt, dass der Tod des Jungen vermeidbar gewesen sei und unzureichende Sicherheitsvorkehrungen zu dem Unglück geführt hätten. So hätten die Lehrerinnen alle 21 Zweitklässler, darunter mehrere Nichtschwimmer, gleichzeitig ins Becken gelassen. In dieser unübersichtlichen Lage konnten die beiden Frauen nicht alle Kinder gleichzeitig im Blick halten, sodass der Junge mindestens eine Minute lang unbemerkt leblos im Wasser getrieben sei. Er war in seiner ersten Schulschwimmstunde mit dem Kopf unter Wasser geraten und später im Krankenhaus gestorben.

„Alle Vorgaben wurden eingehalten“

Die Verteidigung kündigte nach dem Urteil Berufung an. Die Argumentation des Richters, die Lehrerinnen hätten die Gruppe teilen und die Hälfte der Zweitklässler unbeaufsichtigt am Beckenrand lassen sollen, sei angreifbar. In der Verhandlung hatte Verteidiger Gerhard Zahner Freispruch gefordert, weil die Richtlinien des Kultusministeriums eingehalten worden seien. Vorgeschrieben sei demnach, dass lediglich eine Lehrkraft beim Schulschwimmen anwesend ist. Am Unglückstag waren es sogar zwei.

dreamstime.com (Ursulacpage)

Schwimmunterricht überhaupt möglich?

Unter Lehrkräften sorgt das Urteil für Verunsicherung, wie zahlreiche Medienberichte aus der Region zeigen. Viele Pädagogen fragen sich: Kann im Unterricht überhaupt noch Schwimmen angeboten werden oder sind das Risiko und die Verantwortung zu groß?

In einem Brief an die Kultusministerin stellt der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) das Schulschwimmen in Baden-Württemberg infrage. „Ist mit Blick auf das erfolgte Urteil der Schwimmunterricht überhaupt noch durchführbar?“, heißt es dort. Und weiter: „Die Lehrkräfte hatten sich an die Vorgaben des Kultusministeriums gehalten, sie sogar übertroffen. Uns erschreckt, dass die beteiligten Lehrkräfte nun dennoch verurteilt wurden.“ An anderer Stelle sagt VBE-Chef Gerhard Brand: „Es darf nicht sein, dass Kolleginnen, die ihren Dienst korrekt ausüben, sich hinterher vor Gericht verantworten müssen.“

Reicht eine Lehrkraft aus?

Dem Schwäbischen Tagblatt berichtete eine Schulleiterin, sie habe vom Schulamt das Signal bekommen: „Wer sich nicht zutraut, mit großen Gruppen ins Schwimmbad zu gehen, braucht das auch nicht.“ Nach Informationen der Zeitung führt die angespannte Lage derzeit dazu, dass einige Schulen nur noch mit halben Klassen zum Schwimmunterricht gingen. Andernorts könnten Kinder, die noch sehr unsicher im Wasser seien, aktuell gar nicht mit. Damit bleibt allerdings genau jenen Kindern Schwimmunterricht verwehrt, die ihn eigentlich am nötigsten hätten. Ohnehin hat sich nach DLRG-Angaben die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, von 2017 bis 2022 verdoppelt. 

Wie es weitergeht, ist aktuell offen. Berichten zufolge bleibt das baden-württembergische Kultusministerium bei der Linie, dass die Vorgaben für den Schwimmunterricht ausreichen und den Lehrkräften eine hohe Handlungssicherheit bieten. Aus den Schulen kommt dagegen der Wunsch, jede Schwimmstunde mit mindestens zwei Lehrkräften mit Rettungsfähigkeit zu absolvieren. Problem dabei: Nicht nur in Baden-Württemberg gibt es einen generellen Lehrermangel.

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Peter Jacob
Peter Jacob
Mit sechs hieß es für den kleinen Peter schwimmen lernen - falls er mal ins Wasser fällt. Inzwischen ist er groß und schwimmt immer noch jede Woche. Mal mehr, mal weniger, meistens drinnen und manchmal draußen. Und immer mit viel Spaß und Leidenschaft.

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