Samstag, 27. April 2024

„Große Schande für die Welt des Sports“ | Romanchuk kritisiert IOC-Entscheidung

Athleten aus Russland und Belarus dürfen nach Entscheidung des IOC im kommenden Jahr als neutrale Athleten an den Olympischen Spielen teilnehmen. Mykhailo Romanchuk ist damit nicht einverstanden.

Patrick B. Kraemer / MAGICPBK Mykhailo Romanchuk gewann in Tokio Silber und Bronze.

Am 24. Februar 2022 eskalierte der seit 2014 schwelende russisch-ukrainische Krieg, als Russland einen von Präsident Putin befohlenen Angriffskrieg auf die Ukraine startete. Die Sportwelt reagierte, indem Athleten aus Russland und Belarus von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen wurden. Zu den Olympischen Spielen in Paris wird diese Sperre nun wieder aufgehoben. Am Freitag verkündete das Internationale Olympische Komittee (IOC), dass Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus in Paris als neutrale Athleten antreten dürfen – unter einigen Auflagen.

„Es ist eine große, große Schande für die Welt des Sports“, kritisierte der ukrainische Langstreckenschwimmer Mykhailo Romanchuk die Entscheidung des IOC. Laut dem US-Schwimmportal swimswam.com sagte der zweifache Olympiamedaillengewinner: „Die Russen haben ukrainische Städte, die ukrainische Zivilbevölkerung, die ukrainischen Athleten und die ukrainischen Sporteinrichtungen angegriffen, und jetzt dürfen sie an Wettkämpfen teilnehmen. Das ist nicht normal. Mehr als 400 Athleten sind in diesem Krieg gestorben, das ist nicht richtig.“ Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden seit Februar 2022 mindestens 10.000 ukrainische Zivilisten getötet und mindestens 18.500 verletzt. Hinzu kommen schätzungsweise 100.000 getötete Soldaten auf beiden Seiten.

Athleten müssen Neutralität erklären

Die Russische Föderation halte sich nicht an die Regeln des olympischen Frieden, so Romanchuk weiter. „Sie haben es schon dreimal getan. Im Jahr 2008 in Georgien, 2014 in der Ukraine und 2022 ebenfalls in der Ukraine. Das bedeutet, dass man auch antreten darf, wenn man sich nicht an die Regeln hält.“

Elf Sportlerinnen und Sportler, acht aus Russland und drei aus Belarus, haben sich nach IOC-Angaben bisher als neutrale Athleten für die Wettkämpfe in Paris qualifiziert. Zu den Auflagen für die Wiederzulassung gehören strikte Neutralität, die Einhaltung des Anti-Doping-Codes sowie ein Nachweis, den Krieg nicht aktiv zu unterstützen. Außerdem soll Militärangehörigen und Mannschaften aus Russland und Belarus die Teilnehme weiterhin verweigert werden. „Das ist nicht genug. Etwa 90 Prozent der Athleten sind in der Armee. Ich glaube, das ist in verschiedenen Ländern Europas genauso. Alle Athleten sind also wie ein kleiner Teil der Armee. Wie können sie neutral sein, wenn sie in der Armee sind?“, fragt Romanchuk. Er selbst hoffe, im kommenden Jahr an den Spielen in Paris teilnehmen zu können. „Meine beste Arbeit ist es, zu schwimmen und die Ukraine zu repräsentieren. Aber die Entscheidung liegt bei der Regierung, beim Land, beim Olympischen Komitee.“

„Während des Luftalarms müssen wir aus dem Wasser gehen“

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte die IOC-Entscheidung ebenfalls auf X: „Das Internationale Olympische Komitee hat Russland grünes Licht gegeben, Olympia als Waffe zu benutzen.“ Er rief zudem die Partner der Ukraine dazu auf, die Entscheidung zu verurteilen. Während einige Sportverbände die IOC-Entscheidung begrüßen, bleibt der Leichtathletik-Weltverband bei seiner harten Linie. „Vielleicht werden Sie in Paris einige neutrale Athleten aus Russland und Belarus sehen, aber in der Leichtathletik wird das nicht der Fall sein“, sagte World-Athletic-Präsident Sebastian Coe. „Er (Sebastian Coe, Anm. d. Red.) ist ein großartiger Mensch. Und ich respektiere seine Entscheidung“, sagte Romanchuk. „Denn er hat gesagt, dass die Russen nicht antreten dürfen, bis der Krieg beendet ist. Mir gefällt seine Entscheidung. Und ich bin überzeugt, dass die ganze Welt dasselbe tun sollte.“

Nach Kriegsbeginn hatte der 27-Jährige die Ukraine verlassen, um sich in der Magdeburger Trainingsgruppe von Florian Wellbrock auf die kommenden Wettkämpfe vorzubereiten, inzwischen trainiert er wieder in der Heimat. „Ich war in Deutschland, aber jetzt bin ich zurück in der Ukraine, weil ich beschlossen habe, dass ich der Ukraine und dem ukrainischen Team helfen will, sich zu erholen. Denn die Ukraine braucht die jungen Leute in der Ukraine, um sich zu erholen, um aufzubauen, um alles zu erneuern. Das ist der Grund, warum ich zurückkomme. Ich lebe im Westen der Ukraine, und alle Schwimmbecken sind völlig zerstört. Manchmal können wir im 50-Meter-Becken schwimmen, aber während des Luftalarms ist das nicht erlaubt und wir müssen aus dem Wasser gehen“, berichtet Romanchuk aus seinem Trainingsalltag.

Jule Radeck
Jule Radeck
Jule Radeck studierte Sportwissenschaften, bevor sie als Volontärin nach Hamburg zog. In ihrer Freizeit findet man sie oft im Schwimmbecken, manchmal auf dem Fahrrad und selten beim Laufen.

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1 Kommentar

  1. Bitte um eine differenzierte Berichtserstattung. Sport darf nicht politisch sein. Russische Atletheten trainieren oft unter den Bedingungen, die in der EU seit langem Standard sind und haben bei weitem nicht zu vergleichbaren Gehaltsstrukturen und Sponsorennetzwerke. Ein Anspruch auf Olympia ist absolut gerechtfertigt und hat mlt der politischen Situation im Land nichts zu tun. Eine kollektive Bestrafung halte ich für absolut falsch.

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