Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) geht nicht nur ohne Präsidentin, sondern auch ohne Chef-Bundestrainer in das vorolympische Jahr 2019. Wie der Verband heute mitteilte, tritt Chefcoach Henning Lambertz nach sechs Jahren Amtszeit zum Jahresende zurück.
Persönliche Gründe als Ursache?
„Ein fürsorglicher Familienvater und guter Cheftrainer zu sein, ist kaum möglich“, zitiert der DSV in einer Pressemitteilung den 48-jährigen Wuppertaler. „Ich habe zwei kleine Töchter zu Hause, bin aber über die Hälfte des Jahres nicht bei ihnen. So sollte es nicht sein und so möchte ich nicht weitermachen. Es sind genug Tränen in den letzten Jahren geflossen, jetzt müssen Zeiten der Freude und des familiären Glückes deren Platz einnehmen.“
Rücktritt des Bundestrainers folgt auf den der Präsidentin
Der Rücktritt folgt nur wenige Tage nach dem der bisherigen DSV-Präsidentin Gabi Dörries, die Anfang Dezember bei einem außerordentlichen Verbandstag in Bonn ihr Amt niedergelegt hatte – als Konsequenz, weil das von ihr forcierte Modernisierungsprogramm des Verbands auf Widerstand gestoßen war. Die Delegierten der Landesverbände hatten einen Antrag auf die Erhöhung der Mitgliederbeiträge im DSV von 60 Cent auf 1,20 Euro (der ersten Erhöhung nach 30 Jahren) ins Frühjahr verschoben. So viel Geduld wollte Dörries nicht aufbringen, da ihrer Ansicht nach das Geld dringend für eine Reform im Sinne des Spitzensports gebraucht würde. Die Gegner des Antrags brachten vor, dass von einer Erhöhung sowohl der Spitzen- als auch der von den Landesverbänden vertretene Breitensport profitieren müssten und einzelne Verbände in Finanzierungsschwierigkeiten geraten könnten, wenn die an den DSV zu zahlenden Gebühren nicht so schnell auf die Vereine und Schwimmer umgelegt werden könnten.
Beide Rücktritte sind daher in einem Zusammenhang zu sehen, da Gabi Dörries und Henning Lambertz seit vielen Jahren als Team arbeiteten. Dörries war zunächst als Vorsitzende der Fachsparte Schwimmen, später als DSV-Präsidentin, für den Leistungssport ein. „Letztlich war der Rücktritt von Gabi Dörries der Moment, der mich in meiner Entscheidung nochmals bestärkt hat,“ wird Lambertz in der heutigen DSV-Pressemitteilung zitiert. „Sie stand in den vergangenen Jahren immer als Freundin und Mentorin an meiner Seite. Mit ihr zusammen habe ich sehr viele Visionen verfolgt, die ich mir ohne sie nicht weiter vorstellen kann.“
Ohne Cheftrainer nach Tokio 2020?
DSV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen und sein Team gehen damit ohne Chef-Bundestrainer in das vorolympische Jahr 2019 mit dem Höhepunkt der Schwimm-Weltmeisterschaften Ende Juli in Korea. „Die Entscheidung kann ich aus den mit Henning Lambertz geführten Gesprächen nachvollziehen, da ich selbst einmal als Familienvater von zwei Kindern dem Leistungssport für eine Weile den Rücken gekehrt habe“, heißt es von Kurschilgen in der DSV-Mitteilung. Eine schnelle Neubesetzung der Stelle ist demnach offensichtlich nicht geplant, denn weiter heißt es: „Wir werden bis Tokio 2020 seine [Lambertz‘] Aufgaben in einem kompetenten Trainer- und Expertenteam auf mehrere Schultern verteilen und zusätzlich spezifische Kompetenzen bei den Nationalmannschaftsmaßnahmen integrieren.“