Montag, 22. April 2024

Die Anleitung zum Sprinten

Und plötzlich kommen sie Ihnen wieder in den Sinn. Die Vokabeln des schnellen Schwimmens: Explosivität, Kraft, Reaktionsschnelligkeit, Frequenz, druckvolle Unterwasserbewegungen und eine Beinarbeit, die Sie wie ein Torpedo antreibt! Und genau diese Vokabeln wollen wir mit Ihnen in praktische Übungen überführen. Damit Sie am Ende eine neue Vokabel in Ihr Buch schreiben können: Sprinterkönig!

Der Muskelfaserpool

Auch wenn die Wissenschaft längst festgestellt hat, dass die Verteilung schneller und langsamer Muskelfasern genetisch weitestgehend festgelegt ist. Doch das ist kein Grund zu verzweifeln, wenn Sie nicht gerade mit übermäßig vielen schnellen Muskelfasern bedacht worden sind. Sie können Ihren Muskelfaserpool nämlich durch gezielte Übungen altersunabhängig durchaus zu individuellen Bestwerten bewegen.

Das Potenzial eines Sprinttrainings ist für Schwimmer aller Distanzen glücklicherweise recht groß. Der ohnehin schon begabte Sprinter wird seine Schnellkraft noch besser in Szene setzen können, der Mittelstreckler wird in der Lage sein, das Rennen von vorn mitgestalten zu können und der Langstreckler erhöht sein taktisches Repertoire.

Mit diesem 6-Punkte-Plan werden Sie es schon bald spüren: Tempo macht Spaß!

Schritt 1: Verbessern Sie Ihre schwimmspezifischen Kräfte!

Schnellen Bewegungen sind im Wasser oftmals Grenzen gesetzt, weil das zähe Medium Wasser oftmals keine pfeilschnellen Bewegungen zulassen. Bereiten Sie sich deshalb mit gezieltem Trockentraining vor. Das Zugseil ist ein einfaches Hilfsmittel, das man sehr effektiv einsetzen kann. Gehen Sie in Schrittstellung, beugen Sie den Oberkörper vor und los geht´s:

3 bis 4 x Woche

6 x 10 Wiederholungen mit maximaler Geschwindigkeit, Pause: 2 Minuten

Erhöhen Sie mit der Zeit den Widerstand.

Schritt 2: Tempo aufbauen mit kurzen Sprints!

Schnelligkeitstraining im Schwimmen umfasst Leistungen, die eine Streckenlänge von 25 Metern nicht überschreiten. Halten Sie es also kurz und explosiv! Kürzen Sie die vorgegebenen Pausen auf keinen Fall, da sie für die Erholung des neuromuskulären Systems wichtig sind.

1 bis 2 x Woche

8 x 100 m: 15 m Sprint (am besten mit Kommando und Zeitnahme) + 85 m locker schwimmen, Pause: 40-60 Sekunden

Schritt 3: Durch Widerstände schneller werden – Overload-Training!

Die Bewegung künstlich zu erschweren ist ein sehr effektiver Trainingsreiz. Im Wasser eignen sich dazu Kleidungsstücke, die den Wasserwiderstand um ein Vielfaches erhöhen. Der Fantasie sind fast keine Grenzen gesetzt. Lediglich auf die Belastungsform sollten Sie achten: nicht zu lang und nicht zu ermüdend.

2 x Woche

2 x (4 x 25 m Hauptschwimmart mit T-Shirt oder Widerstandshose, maximales Tempo mit 10 Sekunden Pause)

Vor einer zweiten, identischen Intervallserie sollten Sie mindestens 300 m locker schwimmen!

Schritt 4: Schnell reagieren und Tempo aufbauen!

Reaktionsschnelligkeit beschränkt sich nicht nur auf einen schnellen Start und eine kurze Reaktionszeit. Vielmehr geht es auch darum, die Muskelfasern möglichst schnell über einen Bewegungsauftrag zu informieren und zur Kontraktion zu bringen. Je steiler der Kraftanstieg ist, desto schneller kommen Sie auf Tempo. Starten Sie bei den Übungen ohne Wandabstoß, um aus stehender Position beschleunigen zu müssen.

1 – 2 x Woche

2 x 100 m: 15 m Spurt auf Kommando (akustisch, visuell oder taktil durch Trainer oder Kameraden) + 85 m locker schwimmen, Pause: 60 Sekunden

200 m lockeres Schwimmen

2 x 100 m: 25 m Spurt auf Kommando + 75 m locker

200 m lockeres Schwimmen

2 x 200 m: 50 m Spurt auf Kommando mit Abstoß + 150 m locker

Schritt 5: Machen Sie aus der Beinarbeit Ihren Torpedoantrieb!

Die Beine haben im Schwimmsport zwar einen relativ geringen Anteil an der Entwicklung des Gesamttempos. Doch fällt ihnen als Aufgabe natürlich auch die Sicherstellung einer hohen Wasserlage zu. Deshalb ist eine gute Beinarbeit für Sprinter von doppeltem Nutzen. Stellen Sie das Brett, statt wie gewohnt in der Vorhalte, auch einmal senkrecht in das Wasser, um den Widerstand bewusst zu erhöhen.

2 x Woche

4 x 100 m: 15 m Beinarbeit maximales Tempo + 85 m Brett zwischen die Beine als Pullbuoy-Ersatz und locker schwimmen, Pause: 40-60 Sekunden

2 x 200 m: 25 m Beinarbeit maximales Tempo + 75 m Brett zwischen die Beine als Pullbuoy-Ersatz und locker schwimmen, Pause: 60 Sekunden

Schritt 6: Bringen Sie jetzt Tempo in Ihre Bewegung!

Die Bewegungsfrequenz ist ein sensibles Thema im Schwimmen. Sie darf nicht zu hoch sein, um nicht am Wasserdruck vorbei zu ziehen. Sie darf aber auch nicht zu niedrig sein. Kurzflossen eignen sich sehr gut, um das Tempo künstlich in einen sehr hohen Bereich zu katapultieren. Versuchen Sie mit einer höheren Frequenz noch weiterhin Druck in der Unterwasserphase ausüben zu können. Dazu müssen Sie sich schneller bewegen!

2 x Woche

8 x 50 m: 35 m Kraul mit Kurzflossen maximales Tempo + 15 m locker, Pause: 60 Sekunden

Holger Lüning
Holger Lüninghttps://holgerluening.de/
Holger Lüning ist Sportwissenschaftler und Schwimmtrainer mit rund 30 Jahren Erfahrung im Hochleistungssport. Er schwamm er in der Bundesligamannschaft des EOSC Offenbach und gewann im Masterbereich zahlreiche Meistertitel.