Albert Heinrich hat alles generalstabsmäßig geplant. Der Vorsitzende des Korber Bädlesvereins steht am Beckenrand des kleinen Freibads mitten in dem rund 10.000 Einwohner zählenden Orts bei Stuttgart. Er strahlt mit der Sonne um die Wette und sagt: „Wir sind bereit.“ Schon vor vielen Wochen habe er die Chloranlage warten lassen und Chlor bestellt. Damals – zu Beginn der Coronakrise – hätten ihn viele Leute ob dieser Aktivitäten nur milde belächelt. Noch bis vor ein paar Tagen war in Baden-Württemberg überhaupt nicht klar, wann und unter welchen Bedingungen die Freibäder überhaupt eröffnen dürfen. Der rüstige Rentner Albert Heinrich ist ein gnadenloser Optimist. Er und seine Mitstreiter haben voll auf die Karte „Eröffnung so bald wie möglich“ gesetzt.
Vorfahrt für Vereinsmitglieder
Das Wasser in dem 25-Meter-Becken hat gut 20 Grad Celsius. Der Rasen ist akkurat gemäht. Die Liegestühle stehen vorschriftsmäßig mit einem Abstand von 1,50 Metern aufgereiht. Ein paar Vereinsmitglieder kommen bereits seit voriger Woche zum Kraulen, für Klubmitglieder ist das zulässig. Und ich bin selten so froh gewesen, dass ich Mitglied bin. Wer Glück hat, schwimmt in dem schmucken kleinen Freibad zurzeit noch ganz allein. Nach vielen Wochen Training im Neckar, in den Seen im Schwäbischen Wald und einem Schwimmausflug nach Sylt fühlt sich das Kraulen in diesem Bad in Korb, das vor 80 Jahren gebaut worden ist, an wie ein Lottogewinn. Ich habe ein Foto auf Facebook gepostet und ein Leser schrieb darunter: „Ist das Dein Privatpool?“
Das Bad wird seit zehn Jahren vom Korber Bädlesverein betrieben, die Gemeinde hatte das Bad schließen wollen. Seit zehn Jahren werkeln Albert Heinrich und seine Mitstreiter am Becken und an allem drum herum. Das Bad sieht jetzt aus als gehörte es zu einem Luxushotel, das es in Korb freilich gar nicht gibt. Nach zwei flotten Kilometern steige ich aus dem Pool und marschiere schnurstracks zu dem alten Kirschbaum auf der Liegewiese, der zentnerweise Früchte trägt. Was für ein Schmaus nach dem kurzen Training. Keine Frage, ich komme bald wieder. Und wieder und wieder und wieder.
Der Freibadbetrieb für die Allgemeinheit soll in Korb an diesem Samstag, 6. Juni, beginnen. Das ist laut der neuen Corona-Verordnung des Landes der frühest mögliche Termin. Das Korber Bädle dürfte landesweit eins der ersten Freibäder sein, das öffnet. Es bleibt abzuwarten, ob ein Run auf das keine Freibad einsetzt. Die meisten Städte und Gemeinden sind vom Sinneswandel der grün-schwarzen Landesregierung eiskalt erwischt worden. Bis vor kurzem hieß es noch, vor Mitte Juni sei eine Eröffnung der Bäder keinesfalls möglich. Manche Kritiker indes sagen, die Kommunen hätten sich besser auf den Tag X vorbereiten müssen. Die Freibäder in Fellbach und in Schorndorf zum Beispiel dürften frühesten Mitte Juni aufmachen, so die Auskunft der Betreiber. Eine Sprecherin der Stadt Backnang erklärt auf Anfrage: „Die Corona-Zeit wurde genutzt um alle vorbereitenden Maßnahmen, zum Beispiel die Reinigung der Becken, durchzuführen.“ Es sei noch unklar, wie lange es dauere, alle Vorschriften umzusetzen.
Onlinetickets? „Machen wir nicht“
Der Murrhardter Schultes Armin Mößner sagt, die Stadt sollte auch bewerten, welchen Aufwand man betreiben müsse und klären, ob dieser „im Verhältnis zum Nutzen bei einem eher kleineren Bad“ steht. Manche Freibäder im Ländle werden in diesem Jahr womöglich gar nicht geöffnet. Albert Heinrich sagt, er wolle die Öffnung pragmatisch angehen. Eintrittskarten online buchen, so wie es viele Freibäder in NRW praktizieren? „Machen wir nicht.“ Laut Corona-Verordnung dürften rund 400 Leute ins Korber Freibads. Heinrich will aber maximal 250 rein lassen – und ins Wasser zeitgleich höchstens 40 statt der erlaubten 78 Schwimmer. Wenn die Kapazitätsgrenze erreicht sei, dann werde er die Leute vor dem Kassenhäuschen bitten in einer Stunde wieder zu kommen – und sogleich ein paar Badegäste, die schon länger da sind, freundlich auffordern demnächst bitte heim zu gehen.
Hoffentlich geht dieser etwas kühne Plan auf. Und eins sei auch klar: Vereinsmitglieder hätten mitunter Vorrang, sagt Albert Heinrich. Die Eintrittspreise würden nicht angehoben, eine Dauerkarte für Erwachsene zum Beispiel kostet nach wie vor 40 Euro. Gut möglich, dass der Verein demnächst deutlich mehr Mitglieder zählt.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Stuttgarter Zeitung.