Dienstag, 17. September 2024

Coole Wettkämpfe im Yachthafen

Was für ein Glück. Zwischen den schwimmenden Stegen liegen genau 25 Meter. Der Yachthafen in Radolfzell ist also wie gemacht zur einen Schwimmwettkampf. Die Leinen haben die Veranstalter über Nacht eingezogen: Den Eisschwimmern stehen vier Bahnen zur Verfügung. Später wird es hier ziemlich eng zugehen. Willkommen beim Eisman im Bodensee, einem Wettkampf bei dem Schwimmer aus aller Welt Punkte für die Eiscup-Wertung sammeln. Die Teilnehmer mit der längsten Anreise stammen aus Argentiniern. Eine Britin ist nur für diesen einen Wettbewerb aus England hergekommen, mit der Bahn, wie sie erzählt.

Halb zehn Uhr, die Sonne lacht vom Himmel. Die Luft ist angenehm warm, dürfte knapp zehn Grad haben. Das Bodenseewasser indes ist frisch, die Zuschauer würden vermutlich sagen, es ist saumäßig kalt. Knapp drei Grad. Die Schwimmer, die in den nächsten Stunden rund 230 Starts über kurze und lange Strecken ins Wasser zaubern werden, indes wissen: es könnte kälter sein, viel kälter. Bei den German Open im Januar in Veitsbronn hat das Thermometer nur rund 1,5 Grad gezeigt. Und 1,5 Grad, sagt alle, die es wissen müssen, fühlt sich im Wasser halt doppelt so kalt an wie drei Grad.

Martin Tschepe Rekorde sind heute nicht zu erwarten.

Weltrekordlerin am Start

Zunächst die Königsdisziplin, oder – Pardon – die Königinnendisziplin: die 1.000 Meter im Eiswasser. Am Start ist auch die junge Dame aus Leipzig, die den Weltrekord hält: Alisa Fatum. 12:48 Minuten hat die 23-jährige Studentin in Veitsbronn für den magischen Kilometer benötigt, sie war mit dieser Zeit schneller als alle Männer und hat als Newcomerin die Fachleute überrascht. Alisa Fatum ist der neue Star des Eischwimmens.

Bereits nach wenigen 100 Metern wird an diesem Tag am Bodensee allerdings klar: Bestmarken fallen hier keine. Die Weltrekordlerin quält sich durchs Bodenseewasser. Sie ist top trainiert, will im März bei den Weltmeisterschaften in Murmansk antreten und möglichst wieder alle Konkurrentinnen abhängen. Aber das in den Hafen gezauberte Schwimmbecken hat seine Tücken. Schnelles Wenden ist unmöglich, denn die Schwimmer können sich nicht abstoßen. Sie würden beim Versuch ins Nichts treten. Sie müssen zunächst mit den Händen den Steg – geschätzte Höhe knapp 50 Zentimeter – berühren, sich dann drehen und ohne Berührung der Füße mit einer Wand zurück schwimmen. Das kostet Zeit, viel Zeit. Die schnellste Frau der Welt im Eiswasser schlägt nach 16:44 Minuten an. Das sind fast vier Minuten mehr im Vergleich zu ihrem Rekord.

Martin Tschepe Über einen Steg geht es ins kühle Wasser.

Halbe Stunde Eiswasser

Doch das geht allen so oder so ähnlich. Der 17-jährige Sven Efferich aus den Niederlanden schwimmt in 14:45 Minuten die schnellste Zeit über 1.000 Meter. Am längsten ist der Italiener Gianfranco Boccia im Eiswasser, fast 32 Minuten lang. Nach dem Schwimmer wärmen sich die Athleten in einem Zuber mit heißem Wasser und in einer Sauna. Die ganz Hartgesottenen indes trocken sich nur ab und spazieren dann nur mit einem T-Shirt bekleidet am Hafenbecken entlang und beobachten die anderen Schwimmer.   

Die Sprecher erzählen den Zuschauern währen der Wettkämpfe jede Menge Geschichten, zum Beispiel jene vom Bestreben des Eisschwimmverbands, die Sportart olympisch zu machen. Es gibt tatsächlich schon seit ein paar Jahren den Wunsch der schnellsten Eisschwimmer, bei dem Winterspielen antreten zu dürfen. Und manche sagen, dass die alten Hasen – allen voran der Christof Wandratsch – frühestens aufhören dürften mit dem Training, nachdem sie mal bei Olympischen Winterspielen durchs Eiswasser gepflügt sind. Doch der „Wandi“, Jahrgang 1966, wird vermutlich weiter schwimmen, immer weiter. Im Winter, im Sommer, immer.

Martin Tschepe Für viele Teilnehmer der Höhepunkt: das heiße Bad nach dem Rennen.

Pragmatische Lösung für die 500 Meter

Der Zeitplan des Eismans gerät wegen der längeren Schwimmzeiten arg aus den Fugen. Nach den kurzen Strecken wird klar: die für den Schluss geplanten 500 Meter könnten erst nach Einbruch der Dunkelheit gestartet werden. Zu gefährlich ohne Flutlicht, sagen die Veranstalter. Manche Eisschwimmer sind vermutlich – still und heimlich – ein klein bisschen froh, dass ihnen diese lange Distanz diesmal erspart bleibt. Andere sind traurig, gemosert wird aber nicht. Dann der Vorschlag von Routinier Wandratsch: „Wir starten nur zwei Läufe: einer für alle Frauen und einer für alle Männer.“ Und so wird es dann gemacht. Alle Bahnen sind mit mehreren Schwimmern belegt. Jung und Alt, Schnell und ganz Langsam müssen sich arrangieren. Das klappt ganz gut – und wird  womöglich zum Modell für manch ein anderes Eisschwimmen.

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Martin Tschepe
Martin Tschepehttp://www.bahn9.de/
Martin Tschepe ist freier Autor, Swimguide, Freiwasser- und Eisschwimmer des SV Ludwigsburg.

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