Montag, 2. Dezember 2024

Berlin statt Hawaii | Wie Matthias Kaßner 30 Kilometer durch die Hauptstadt schwamm

Ein Jahr ohne Highlight wollte Matthias Kaßner nicht hinnehmen. Der 52 Jahre alte Schwimm-Abenteurer ist auf dem Weg, die berühmten Ocean’s Seven zu schwimmen. Nach Ärmelkanal, North Channel, Straße von Gibraltar, Catalina Channel und Tsugaru Strait wollte er dieses Jahr im Molokai Channel auf Hawaii seine sechste Etappe in Angriff nehmen (Kaßners bisherige Langstreckenschwimmen in der Übersicht). Im September sollte es losgehen, so der Plan. Dann kam die Pandemie. „Nachdem sich meine Schwimmpläne in Luft aufgelöst hatten, habe ich nach Alternativen gesucht, für die ich mit etwas weniger Training auskomme und für die ich nicht weit reisen muss“, sagt Kaßner zu swim.de. Die Idee des Berliners: Ein langes Rundschwimmen um die Müggelberge.

Ein Blick auf die Karte von Berlins Südosten zeigte ihm, dass es funktionieren könnte. Schwimmt man durch den Seddinsee, den Gosener Kanal, die Müggelspree, den Müggelsee, die Spree und die Dahme ergibt sich ein etwa 30 Kilometer langer Kreis aus Flüssen, Kanälen und Seen. Vielen Freiwasserschwimmern ist das Müggelseeschwimmen ein Begriff, bei dem die Athleten vom Westufer des Sees ins Strandbad Rahnsdorf auf die andere Seite schwimmen. Diesen Abschnitt würde Kaßner in umgekehrter Richtung absolvieren. Was für so manchen Schwimmer bereits eine ordentliche Herausforderung von 3,5 Kilometer darstellt, würde für ihn allerdings nur etwas mehr als ein Zehntel der Gesamtstrecke ausmachen.

Matthias Kaßner Kaßners GPS-Track zeigt die Strecke rund um die Müggelberge.

Start um 5.40 Uhr

Ein Boot samt Begleitung ist schnell organisiert und so geht es für Kaßner an die sportliche Vorbereitung. „Irgendwann kannte ich alle Teilstrecken vom Wasser aus. Bis auf den Gosener Kanal, in dem man eigentlich nicht schwimmen darf.“ Als Startpunkt wählt er einen kleinen Strand im Stadtteil Schmöckwitz. Von dort soll es zunächst durch den Seddinsee gehen und dann gegen den Uhrzeigersinn um die Müggelberge. „So kann man die Strömung in der Müggelspree ausnutzen und hat dann später in der Dahme nur eine leichte Strömung gegen sich“, rechnet er sich aus.

Dass die Orga um so ein Schwimmen oft schwieriger ist als das Schwimmen selbst, zeigt sich am Tag vor dem geplanten Start. Der Führer des Begleitboots will das Schiffchen von Spandau nach Schmöckwitz bringen, kommt in Klein Machnow aber nicht mehr durch die Schleuse, weil diese vor seinen Augen für Bauarbeiten geschlossen wird. Was nun? Ohne Boot kein Schwimmen, das steht fest. Eine Begleitung ist bei so einem Abenteuer unerlässlich. Die Crew kümmert sich um den Kurs und die regelmäßige Verpflegung und versucht auch sonst, dem Sportler sämtliche Sorgen abzunehmen, damit sich dieser allein auf seine Kraulzüge konzentrieren kann. Wichtig ist auch der kritische Blick einer verlässlichen Person auf dem Boot, die immer wieder anfeuert und motiviert, im Zweifel aber auch bremst oder das ganze Projekt abbricht. Zum Glück kann das Team kurzfristig ein Ersatzboot von einem Verleiher organisieren. Dass sich dadurch völlig neue Probleme ergeben, ahnt zunächst keiner.

Matthias Kaßner

Durch Seen, Kanäle und Flüsse

Freitag, 5.40 Uhr. Das Schwimmen beginnt. Kaßner: „Ich bin vom Boot ins Wasser gesprungen, zur Bucht geschwommen und habe dann dort das Schwimmen gestartet. Es war stockfinster, was auch für den Bootsführer mit dem unbekannten Boot auf der unbekannten Strecke sehr anstrengend war. Das Wasser im Seddinsee war ruhig und warm und ich genoss einen wunderschönen Sonnenaufgang.“

Nach 90 Minuten ist der See geschafft und Kaßner schwimmt in den Gosener Kanal. Es ist das einzige Teilstück, für das eigentlich eine Genehmigung nötig gewesen wäre. „Der Kanal stellte sich als wunderschön heraus und es war kein einziges Boot unterwegs“, berichtet der Sportler. Ganz wohl ist ihm aber nicht. „Ich wollte hier möglichst früh durch.“

Matthias Kaßner Der Kurs führt durch Flüsse, Kanäle und Seen.

Probleme mit Bauch und Boot

Kurz darauf wird Kaßner in der kurvigen Müggelspree erneut unwohl. Diesmal hat dies jedoch handfestere Gründe: Magenkrämpfe! Jetzt schon! „Mir war übel ich habe ernsthaft ans Aufgeben gedacht“, berichtet Kaßner. Doch er schafft es, sich zu motivieren und weiterzuschwimmen.

„Ich habe mir immer wieder kleine Teilstrecken vorgenommen und nicht daran gedacht, was noch alles vor mir liegt. Also jetzt durch die Müggelspree bis zum Müggelsee. Dann durch den See und so weiter. Das hat ganz gut funktioniert.“

Matthias Kaßner

Wären die körperlichen Probleme nicht schon genug, fängt zu diesem Zeitpunkt auch noch das Boot an zu zicken. Zuerst verfängt sich ein Seil mit der Trinkflasche im Propeller. „Meine Crew konnte den Schaden zum Glück beseitigen, die Flasche war aber weg. So mussten wir aus einer aufgeschnittenen Wasserflasche einen Ersatz basteln, den ich von jetzt an bei jedem Feeding schwimmend zum Boot zurückbringen musste. Schlimmer war allerdings, dass der Motor immer wieder aus ging, was sich später noch zu einem Riesenproblem entwickelte.“

Matthias Kaßner Kurz vor Köpenick: Die ehemalige Brauerei der Berliner Bürgerbräu.

Raue See auf dem See

Weiter geht es für Kaßner durch den Müggelsee, den größten See Berlins. Es ist sehr wellig, und schon bald muss sich der Schwimmer übergeben. Zwar geht es ihm danach kurz besser, doch das währt nicht lange. Und so werden Übelkeit und Magenkrämpfe bis ins Ziel Kaßners ständige Begleiter. Später kommen noch Krämpfe in den Beinen sowie Erschöpfung dazu. „Aus dem Müggelsee schwamm ich durch die Spree und durch Köpenick – wunderschön vom Wasser aus! Die lange Strecke die Dahme herunter wurde dann zu einem einzigen Kampf für mich.“

Immer wieder versagt jetzt der Motor des Bootes. Einmal drückt es der Wind fast in die Uferböschung. Irgendwann ist es genug. Die Crew ruft beim Verleiher an und wechselt mitten auf der Dahme in ein Ersatzboot. Kaßner schwimmt nun immer wieder voraus, lässt sich einholen und schwimmt wieder voraus.

„Es war generell sehr schwierig mit den Booten, weil sie meine Geschwindigkeit nicht fahren konnten. Ich musste viel nach vorn gucken, was auf die Dauer anstrengend wurde. Und was ich selbst von den Schwimmen im Ozean nicht kannte: Ich habe ich mich oft allein gefühlt.“

Matthias Kaßner

Finish nach 13 Stunden

Das letzte Stück durch die Dahme, dann ist der Strand in Schmöckwitz erreicht. Einige Freunde erwarten Matthias Kaßner, der die Umrundung der Müggelberge nach 13 Stunden und 7 Minuten geschafft hat. Sein Schwimmen möchte sich Kaßner nun bei marathonswimmers.org offiziell anerkennen lassen. Sollte sich noch einmal jemand die Strecke vornehmen, sammelt die Organisation Zeiten und legt eine Liste an.

Das Schwimmen zeichnet sich durch unterschiedlichste Landschaften aus. Angefangen mit dem relativ breiten Seddinsee, der von Wald auf beiden Seiten gesäumt ist, durch den sehr engen Gosener Kanal, der ebenfalls wunderschön im Wald liegt. Danach schwimmt man durch die Müggelspree, durch Neu Venedig, entlang schöner teurer Wassergrundstücke. Dann durch den weiten und in meinem Fall rauen Müggelsee. Weiter durch die Müggelspree, an einer alten Brauerei vorbei und an verlassenen Fabrikgebäuden. Schließlich durch Köpenick, am Köpenicker Schloss vorbei und in die Dahme, die sich hier weit öffnet und an verfallenen Industriebrachen entlangführt. Schließlich geht es erneut durch waldiges Gebiet und entlang einer Regattastrecke bis nach Schmöckwitz.

Fazit von Matthias Kaßner

Bildergalerie von der Müggelberg-Umrundung:

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Peter Jacob
Peter Jacob
Mit sechs hieß es für den kleinen Peter schwimmen lernen - falls er mal ins Wasser fällt. Inzwischen ist er groß und schwimmt immer noch jede Woche. Mal mehr, mal weniger, meistens drinnen und manchmal draußen. Und immer mit viel Spaß und Leidenschaft.

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