Selbst viele gute Schwimmer meiden das Frei- wie der Teufel das Weihwasser. Die Evolution des Menschen ist schuld. Um diese Blockade zu überwinden, gibt es Erfolg versprechende Strategien.
Das Ufer kommt näher, und es macht sich langsam, aber spürbar ein gewisses Unbehagen breit. Zumindest, wenn man sich dieser Zone von Land aus nähert. Mit jedem Schritt in Richtung Wasserkante verstärkt sich dieses Gefühl. Der Puls schnellt in die Höhe, die Atemfrequenz steigt, dabei haben Training oder Wettkampf noch gar nicht begonnen. Der See, das Meer oder der Fluss bilden eine regelrechte Drohkulisse – die allerdings nicht alle Athleten so wahrnehmen. Das offene Gewässer als mentales Sperrgebiet: Woher kommt die Angst einiger Sportler vor dem Freiwasser, wie äußert sie sich und welche Strategien können Schwimmer anwenden, um diese Angst zu überwinden? Ein Wegweiser.
Franka Weber, Psychologin beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV), erklärt den grundsätzlichen Auslöser der Blockade, der tief in uns verankert ist: „Der Mensch tickt in dieser Beziehung ganz einfach. Alles Unbekannte stößt zunächst einmal auf eine innere Skepsis. Das lässt sich nicht abschalten.“ Ein evolutionsbedingter Schutzmechanismus. Der Mensch hat ein angeborenes Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle, um sein Überleben zu sichern und nicht anderen Menschen oder Bedingungen ausgeliefert zu sein. Regelmäßige Schwimmer finden diese Sicherheit vor allem im Schwimmbecken. Das klare Wasser erlaubt die freie Sicht auf den Boden und damit eine relativ gute Einordnung der Tiefe des Gewässers. Das Schwimmen läuft (mehr oder weniger) strukturiert ab, sprichwörtlich in geregelten Bahnen, mit (verhältnismäßig) viel Platz, einer eindeutigen Route, einer genau abgemessenen Strecke und einem Schwimmmeister in Ruf- oder Sichtweite. Der Beckenrand ist auch nicht weit. Mehr Sicherheit geht nicht.
Franka Weber ist Diplompsychologin. Die Kielerin arbeitet unter anderem als leitende Neuropsychologin in einem akademischen Lehrkrankenhaus. Sie ist darüber hinaus die zuständige Verbandspsychologin beim Deutschen Schwimm-Verband.