Zwischen Sicherheit und Datenschutz | Wenn Kollege KI bei der Beckenaufsicht hilft

Künstliche Intelligenz hat längst Einzug in unseren Alltag erhalten und gehört mittlerweile auch zur Ausstattung einiger Schwimmbäder. Wir haben uns das System in Hamburg angeschaut – und herausgefordert.

Peter Jacob Erkennt das System einen Notfall, schlägt es Alarm. Die Schwimmmeister werden über eine Smartwatch alamiert.

Wenn man es nicht weiß, fällt es nicht auf. Im Billebad im Hamburger Stadtteil Bergedorf hängen Kameras über zwei der insgesamt vier Becken. Sie gehören zu einem KI-System, das die Schwimmmeister bei der Beckenaufsicht unterstützen soll. Dieses System gibt es in Deutschland schon in mehreren Städten, in Hamburg wird es aktuell getestet. Später könnte die Technik in weiteren Bädern zum Einsatz kommen.

Aber wie funktioniert dieser KI-Bademeister? Die Kameras, sechs über dem 25-Meter-Becken und drei über dem Erlebnisbecken, sind so eingestellt, dass sie die komplette Wasserfläche lückenlos abdecken und auch bei Reflexionen durch die Sonne weiterhin reibungslos alles überwachen, erklärt Badleiter Björn Hinrichsen. Während die Kameras also das Becken filmen, wertet eine künstliche Intelligenz die Bilder aus.

Peter Jacob Unscheinbar hängen die Kameras an der Decke der Schwimmhalle. Sie sind so eingestellt, dass sie das Schwimmbecken ganz genau im Blick haben, allerdings auch keinen Meter mehr.

Sie erkennt, wie viele Personen im Becken sind und gibt die Zahlen in Echtzeit an die Smartwatches der Schwimmmeister weiter. So hat das Badpersonal immer einen Überblick über die aktuelle Beckenauslastung. Unabhängig vom Sicherheitsaspekt ermöglicht allein dies bereits ganz neue Möglichkeiten. Vielleicht kann man schon bald von zu Hause aus in Echtzeit verfolgen, wie voll das Schwimmbad ist.

Drei Warnstufen

Der KI-Kollege kann aber mehr als nur Personen im Wasser zählen. Die Technik wertet Bewegungsmuster der Badegäste aus. Zur Erkennung werden markante Punkte des menschlichen Körpers, etwa Gliedmaßen und Gelenke, analysiert. Wie das genau funktioniert, bleibt ein Geheimnis des Software-Anbieters, sagt der Badleiter.

Registriert die künstliche Intelligenz verdächtige Bewegungen, werden alle Schwimmmeister über ihre Smartwatches alarmiert. Die Uhren vibrieren und zeigen an, welches Becken betroffen ist. Die Schwimmmeister können sich außerdem ein Foto der erkannten Situation anzeigen lassen. Das hilft für einen ersten Überblick. Schlägt das System Alarm, gibt es drei Warnstufen, je nachdem wie gefährlich die Software die Situation einschätzt. Eine Überfüllung des Beckens kann genauso angezeigt werden wie eine Notfallsituation. Über die Uhr können die Schwimmmeister angeben, ob die KI die Situation richtig bewertet hat. Diese Rückmeldung hilft, die künstliche Intelligenz zu trainieren.

Peter Jacob Auf den Smartwatches wird auch die Personenzahl im Schwimmbecken in Echtzeit angezeigt.

In Hamburg kann die KI nicht aus ihren eigenen Daten lernen

Mit den Datenschutz-Regelungen in Deutschland und auch der strengen Auslegung in Hamburg ist die Technik laut Bäderland-Sprecher Michael Dietel vereinbar. Die Videobilder im Billebad werden nach kurzer Zeit, genauer gesagt 15 Sekunden, wieder gelöscht. Diese Zeit ist nötig, um die Daten umzurechnen. Durch die verpflichtende Löschung können die Bilder allerdings nicht für eine spätere Auswertung genutzt werden, und auch für einen Lernprozess der KI fallen diese Bilder weg. Etwas sehnsüchtig blickt Dietel deshalb in andere Bundesländer. Dort, wo der Datenschutz nicht ganz so streng ausgelegt wird, lerne das System durch Rückmeldungen der Schwimmmeister im laufenden Betrieb. In Hamburg müsse die Technik dagegen mit Updates gefüttert werden. Dass die Bäderland-Verantwortlichen das System trotzdem für eine fünfstellige Summe angeschafft haben, liegt auch an einem schlimmen Vorfall in einem Hamburger Bad vor eineinhalb Jahren.

In der Theorie klingt das System nach einer großen Unterstützung, aber könnte es auch Arbeitsplätze im Schwimmbad gefährden? Nein, erklären Badleiter Hinrichsen und Dietel. Die Technik diene nur der Unterstützung. Am Ende müsse immer ein Mensch in Notfallsituationen helfen, wenn wirklich jemand aus dem Wasser gerettet werden muss. Selbst die beste Beckenaufsicht kann ihre Augen nicht immer überall haben und auch die Interaktion mit Kunden sorge hin und wieder für Ablenkung. Deswegen sei die neue Technik eine willkommene Unterstützung, berichtet auch ein Schwimmmeister, der am Beckenrand steht. Seit der Einführung des Systems im Dezember 2024 habe es etwa 50 Alarmmeldungen gegeben, erzählt Hinrichsen, ein echter Notfall war glücklicherweise nicht dabei.

Wir fordern die Technik heraus

Nach allen Erklärungen wollen wir es selbst wissen: Können wir die Schwimmbad-KI überlisten und einen Alarm auslösen? Der erste Versuch: Ich lege mich bäuchlings aufs Wasser und atme langsam aus, bis mein Körper beginnt abzusinken. Als die Luft knapp wird, tauche ich wieder auf. Die Uhren am Beckenrand schlagen keinen Alarm. Hatte ich noch zu viel Körperspannung? Lange genug unter Wasser müsste ich eigentlich gewesen sein. Also neuer Versuch, das gleiche Spiel auf dem Rücken. Es dauert ein wenig, aber schließlich meldet die KI einen Alarm. Rund 30 Sekunden müsse eine Situation andauern, erklärt der Badleiter. Schneller als ein Schwimmmeister am Beckenrand ist die Technik damit (noch) nicht. Vor allem in einem fast leeren Schwimmbad, wie an diesem Vormittag in Bergedorf, hätte jede Beckenaufsicht meinen „Notfall“ längst erkannt.

Peter Jacob Nach einigen Sekunden meldet das System einen Alarm und zeigt die erkannte Gefahrensituation auf der Smartwatch an.

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Jule Radeck
Jule Radeck
Jule Radeck studierte Sportwissenschaften, bevor sie als Volontärin nach Hamburg zog. In ihrer Freizeit findet man sie oft im Schwimmbecken, manchmal auf dem Fahrrad und selten beim Laufen.