Montag, 18. November 2024

Getestet | Smarte Schwimmbrille FORM SWIM 2: Hilfreiches Gimmick oder unnützer Klunker?

Eine Schwimmbrille für 235 Euro? Plus Abo für die App-Vollversion ab 85 Euro pro Jahr. Lohnt sich das?

privat Eine Schwimmbrille, die mitdenkt. Anita Horn hat die FORM 2 getestet.

Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Schwimmbrillen gekauft und dafür sicher mehrere hundert Euro ausgegeben. Dazu kommen jedes Jahr diverse Wettkämpfe, Vereinstrainings, auch mal PT oder Seminare und weiteres Equipment wie eine (immer wieder neue) Sportuhr, Badeanzüge und Neos. Schwimmen kann ein günstiger Sport sein, wenn man ein freies Gewässer in der Nähe hat und einfach nur mit einer ollen Badehose reingeht. Aber weil Schwimmen eben auch ein tolles Hobby ist, lassen sich viele Sportler das Ganze gerne was kosten. Warum also nicht auch eine digitale Schwimmbrille mit dazugehöriger App? Wenn eine neue Sportuhr mit allem Zipp und Zapp locker 700 Euro kosten kann, lohnt sich zumindest ein Vergleich mit allen Pros und Contras.

„Get Faster. Fast.“ – der Slogan von FORM SWIM

Bei meiner Uhr (die ich sehr liebe) muss ich im Schwimmtraining immer auf das Handgelenk gucken. Wer geübt ist, kann das bei der Wende. Aber im Zweifel dauert es einen Augenblick. Dazu muss ich beim Techniktraining auf „Übung“ switchen, weil die Bahnen sonst nicht richtig gezählt werden. Und je nach Einstellung muss ich nach einem geschwommenen Intervall manuell stoppen und die Pause einleiten. Total okay, aber die FORM SWIM 2 mit Augmented Reality macht es doch leichter.

Die Brille ist eine Art digitaler Coach mit diversen Datenfeldern auf der Innenseite der Brillengläser. Ich kann die Anzeige wahlweise links oder rechts tragen und bekomme dann in Echtzeit Dinge wie Pace, Distanz, Schwimmdauer und Puls angezeigt. Nach dem Einschalten erscheint ein Menü auf dem Minimonitor in der Brille, und ich kann zwischen Pool, Open Water und Swim Spa (Gegenstromanlage) auswählen.

Im Schwimmbad

Im Menü Pool kann ich zwischen freiem Schwimmen, importierten Workouts, vorinstallierten Head Coach Workouts und gespeicherten Workouts wählen. Dazu lässt sich die Poolgröße konfigurieren und schon kann es losgehen.

Hier geht es zu Anitas Blog „EISZEIT“

Die Bahnlängen werden mit 1-2 Sekunden Verzögerung nach jeder Wende automatisch angezeigt und auch jede Pause am Beckenrand wird dank Bewegungssensor automatisch registriert, sodass ich keine Knöpfe drücken oder umständlich mitzählen muss. Im Vergleich zur Sportuhr war die Gesamtdistanz am Ende des Trainings bei der Brille bis auf zwei Ausnahmen immer exakt (sie braucht natürlich ein deutliches Wenden oder Stoppen, damit der Sensor richtig arbeiten kann). Bei der Uhr habe ich manchmal Differenzen von bis zu 500 Metern zum tatsächlich geschwommenen Workout – was nervt, wenn es um die Pace in den einzelnen Intervallen geht.

Die Anzeige ist gut lesbar und zeigt klare Anweisungen und Infos an. In den vollen Genuss komme ich, wenn ich die Vollversion der App nutze. Hier bekomme ich unfassbar viele Daten und Analysemöglichkeiten:

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Head Coach Workouts

Die Kopfposition ist mitentscheidend für die Wasserlage und am Ende auch das Tempo. Um hier effizienter zu werden, bietet die Brille sogenannte Head Coach Workouts. Dazu gehören Head Pitch – also die Blickrichtung unter Wasser – und zum Beispiel Peak Head Roll – wie weit der Kopf für die Atmung nach links und rechts dreht und aus dem Wasser kommt. Je weniger, desto besser.

Zu beiden Bewegungen gibt es in der App Video-Coachings und spezifische Übungen. Ich kann die Empfehlungen hierbei jederzeit in der Brille an- und ausschalten. Möchte ich die Empfehlungen auf meinem Display sehen, wird mir wie bei einem alten Atari-Spiel eine Ober- und Unterlinie gezeigt und dazwischen eine Art Mittelziellinie. Meine Kopfposition wird mir in Echtzeit als bewegliches Pixel angezeigt. Ein schönes Tool, bei dem die Zeit wie im Flug vergeht und die Kopfposition sich wirklich schnell verbessern kann – angezeigt in der App als persönlicher Score.

Trainingspläne

Die App hat über 1.500 Vorlagen für Trainingspläne wie „No Big Deal“ – 1.400 Meter für variables Tempotraining, „Quick Reminder“ für eine Auffrischung der Technik oder „Merry Go Round“ mit kurzen Intervallen und neuen Technikimpulsen. Diese Workouts helfen mir zum Beispiel, strukturiert zu schwimmen und nicht nach 500 Metern keine Ideen und Lust mehr zu haben.

Ich kann auch eigene Trainings vom Schwimmcoach via Apps wie Trainingpeaks hochladen und später in Connect, Strava, Apple Health und anderen Apps teilen. Ich kann aber mit einem neuen Tool namens SCRIPT auch Workouts aus einem Fließtext in einen strukturierten Schwimmplan umwandeln, mit der Brille synchronisieren und nachschwimmen. Das geht zum Beispiel auch mit den Schwimmplänen von swim.de.

privat Das Training lässt sich hinterher in der App auswerten.

Im Freiwasser

Im Freiwasser kann die FORM SWIM 2 ebenfalls eine echte Hilfe sein – vor allem mit der SwimStraight-Option. Hierbei kann ich per Luftlinie an Land meinen Zielpunkt ins Auge fassen, mit der Brille in drei kleinen Schritten eine Kalibrierung der Position durchführen und dann losschwimmen. Ein digitaler Kompass im Display hilft mir dann bei der Orientierung im Wasser. Theoretisch muss ich kein einziges Mal hochschauen. Bei stärkerem Wellengang oder im Wettkampf ist das eine tolle Unterstützung. Bei Langstrecken ohne sichtbares Ziel natürlich unnütz.

Display-Anzeige anpassen

Wenn ich die Brille mit meiner Sportuhr koppele, kann ich das GPS nutzen. Dafür muss ich ein paar Einstellungen vornehmen und kann mir dann während des Schwimmens Distanz und Pace anzeigen lassen – manchmal mit kleinen Aussetzern und etwas verzögert, dennoch ist das eine hilfreiche Orientierung im Freiwasser, ohne auf das Handgelenk schauen zu müssen. Schwimme ich nur mit der Brille, aber ohne Uhr, kann ich Puls, Timer und Zugfrequenz anzeigen lassen. Der Akku hält übrigens rund 14 Stunden.

Form Das Display lässt während des Schwimmens ablesen.

Fazit

Ist die FORM SWIM 2 nun also hilfreiches Gimmick oder unnützer Klunker? Für mich definitiv ein hilfreiches Gimmick – bei Kosten von rund 30 Euro im Monat natürlich nur sinnvoll, wenn man die Workouts, den Head Coach und die Daten für die Analysen und Verbesserungen tatsächlich nutzt.

Was die Optik angeht, ist die Brille natürlich etwas auffälliger und größer als die herkömmliche Variante, ich finde sie aber weder klobig noch zu schwer. Ab und zu wurde ich darauf angesprochen, aber so kommt man auch mal zu spannenden Gesprächen.

Drei Kritikpunkte habe ich: Das eingeschränkte Sichtfeld auf der Seite des Minicomputers, aber irgendwo müssen die Daten ja herkommen. Dann beschlägt die Innenseite trotz der integrierten Anti-Fog-Beschichtung, sodass ich auf eigenes Risiko zu Spray gegriffen habe, in der Hoffnung, dass es das AR-Display nicht negativ beeinflusst. Zu guter Letzt sind alle Anweisungen in der Brille und der App auf Englisch und ich habe teilweise erst mitten im Training festgestellt, dass ich keine Ahnung habe, was zum Beispiel „SK easy“ bedeutet.

Das kann man aber vermeiden, indem man sich das Training in der App erst genau ansieht und sich durch die Tutorials führen lässt. Hier kann man nachlesen, welches Equipment empfohlen wird, was die Abkürzungen bedeuten, und es gibt gute Erklärvideos. Die FORM SWIM 2 ist in einigen internationalen Wettkampfformaten wie bei World Triathlon zugelassen, bei reinen Schwimmwettkämpfen des internationalen Schwimmverbandes aber verboten (mehr dazu hier). Für das Training ist die Brille für mich aber ein hilfreiches Gimmick mit vielen Extras.

privat

Als Ausdauerathletin mit Hang für extreme Herausforderungen bloggt Anita auf SWIM.DE über ihre Erlebnisse im eisigen Wasser. Auf Anitas Website könnt ihr euch zum Newsletter anmelden. Hier geht es zu ihrem Instagram-Account.

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Anita Horn
Anita Hornhttps://www.ahornzeit.de/iss-gut-jetzt-das-neue-buch-von-anita-horn/
Ich bin Sportlerin und Sportjournalistin und beschäftige mich auch viel mit dem Thema Ernährung. Im März 2024 erscheint mein Buch „IS(S) GUT JETZT!“ Auf meiner Website bekommt ihr alle Infos dazu und könnt euch zu meinem Newsletter anmelden.

1 Kommentar

  1. Zur Smart Schwimmbrille : ich bleib dann doch lieber bei der großen Vierzeiger Uhr , die in fast jedem ( leider nicht überall ) Sportbad an der Wand hängt. Da werd ich nicht durch so ein lästige „Gimmick“ abgelenkt und kann mich auf das Wesentliche, nämlich auf’s Schwimmen konzentrieren.
    Auf der Smartwatch rumdrücken ist genauso lästig, das machen nur Triathleten, daran kann man sie erkennen ! Kein Schwimmer drückt auf der Uhr herum ! Im Wettkampf ist die Uhr sowieso nicht erlaubt . Und Bahnen Zählen ist doch wirklich nicht schwierig, außerdem ein bißchen Gehirnjogging, oder ?

    Kalli Nottrodt