Donnerstag, 25. April 2024

Eisschwimmen: „Wie tausend Nadelstiche auf der Haut“

Die Eis- und Winterschwimm-Saison beginnt. Im Interview erzählen zwei der besten deutschen Eisschwimmer wie sie sich auf die anstehenden Saisonhöhepunkte Vorbereiten. Alias Fatum, Weltmeisterin und Weltrekordhalterin über 1.000 Meter, und der deutsche „Mr. Eisschwimmen“ Christof Wandtratsch starten bei der German Open in Veitsbronn und bei der WM im slowenischen Bled.

Bisher sind die meisten Seen und Flüsse in Deutschland noch richtig wirklich kalt. Wie und wo bereitest Du Dich auf die anstehenden Wettkämpfe im eiskalten Wasser vor?

Alisa Fatum: Anfang September hatte ich die Möglichkeit noch einmal in Murmansk ins kühlere Wasser zu steigen. Bei etwa sieben Grad Celsius sind Christof und ich ein spannendes 1.200-Meter-Rennen geschwommen. Dafür habe ich mich speziell in einem mit kühlem Brunnenwasser gefüllten Pool vorbereitet. Ansonsten verbringe ich die Freiwassereinheiten an meinem Lieblings-See, dem Kulkwitzer See, und genieße derzeit noch das „warme“ Wasser.

Christof Wandratsch: Als Vorbereitung für die anstehende Wettkämpfe trainiere ich regelmäßig im Eispalast auf dem Hintertuxer Gletscher bei -0,3 Grad Wassertemperatur und null Grad Lufttemperatur. An gleicher Stelle biete ich auch Aqua Camps an.

Eisschwimmen
Martin Tschepe Bedingungen, wie sie Eisschwimmer lieben.

Zu den Saisonhöhepunkten gehören die Ice Swimming Aqua Sphere German Open Anfang Januar in Veitsbronn und die Winterschwimm-WM in im slowenischen Bled im Februar. Welche Ziele hast Du? Titel? Neue persönliche Bestzeiten?

Alisa: Im Hinblick auf diese Wettkämpfe liebäugele auch ich mit persönlichen Bestzeiten und guten Platzierungen.

Christof: Beim Welt Cup und bei der Ice Swimming Aqua Sphere German Open in Veitsbronn geht es mir weniger um Zeiten und Platzierungen. Da ich hier mit im Organisationsteam bin, ist es mir wichtig, dass es eine gute Veranstaltung wird. Teilnehmer, Zuschauer, Helfer und die Sponsoren sollen mit der Veranstaltung zufrieden sein, dies ist mir wichtig. Bei der WM in Bled möchte ich natürlich möglichst meine vier Titel über 1.000 und 450 Meter Freistil, über 200 Meter Brust und über 25 Meter Delfin verteidigen, die Zeiten sind mir dabei relativ egal, denn bei einer WM zählen einfach mal nur Platzierungen.

Wie kommt man nur auf die Idee, Wettkämpfe bei Wassertemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt zu schwimmen?

Alisa: Ich schwimme nun seit etwa 15 Jahren. Auf der Suche nach neuen sportlichen Reizen bin ich auf das Eisschwimmen gestoßen, welches mich seither verzaubert.

Wandratsch: Nach der erfolgreichen Bodenseelängsquerung 2013 haben sich mein Manager Oliver Halder und mein Betreuer Matthias Hofmann zusammengesetzt und nach neuen Herausforderungen gesucht. Hierbei stießen wir auf das Eisschwimmen. Bei meinem ersten Wettkampf im März 2014 in Rovanjemi in Finnland, den Winterschwimmweltmeisterschaften der International Winterswimming Association gewann ich auf anhieb den Titel über 450 Meter Freistil. Dies war natürlich ein perfekter Einstieg ins Eisschwimmen.

Christof Wandratsch
Martin Tschepe Christof Wandratsch zählt in Deutschland zu den Eisschwimm-Pionieren.

Seit wann schwimmt ihr im Eiswasser?

Alisa: Im Eiswasser schwimme ich erst seit der Wintersaison 2018/2019.

Wandratsch: Ich habe im Herbst 2013 mit dem Eisschwimmen trainingsmäßig begonnen. Mittlerweile geht meine Saison vom 1. November, Weltcup Auftakt in Jelgava in Lettland, bis Ende März wo das Finale in Pedrosavosk in Russland stattfindet. Insgesamt bestreite ich an elf Wochenenden Wettkämpfe, Weltcup, Ice Cup und Weltmeisterschaften, wobei ich an einem Wochenende bis zu zwölfmal ins Wasser steige und Distanzen von 25m bis 1.000 Meter schwimme.

Bitte für alle Warmduscher eine kurze Erklärung: Wie fühlt sich das Schwimmen im Eiswasser an? Und wie gewöhnt man sich an diese widrigen Bedingungen?

Alisa: Das Eisschwimmen in Worten zu beschrieben ist nicht einfach. Natürlich ist es eine Überwindung ins kalte Wasser zu steigen, doch der Körper gewöhnt sich bei regelmäßigem Training an die kalten Temperaturen. Einmal abgetaucht ins kühle Nass und ich bin in einer anderen Welt.

Wandratsch: Nachdem ich bis zu meiner ersten Ärmelkanal-Querung 2003 ja selbst zu den absoluten Warmduschern gehörte – Schwimmen unter 20 Grad war ein absolutes No-Go – empfehle ich jedem Neueinsteiger im Herbst mit dem Eisschwimmen zu beginnen. Den langsamen Abfall der Wassertemperaturen der offenen Gewässer mitnehmen und möglichst oft, aber dafür kurz in Wasser zu gehen. Befinden sich dann die Temperaturen im einstelligen Bereich, gilt die Faustregel: pro Grad maximal eine Minute lang drin bleiben. Das Schwimmen bei fünf Grad und kälter fühlt sich wie tausend Nadelstiche auf der Haut an. Hinterher ist man allerdings sehr glücklich, dass man sich der Herausforderung gestellt hat. Wie man dann in der Praxis genau vorgeht lernen dann die Teilnehmer bei den Aqua Camps, die ich in regelmäßigen Abständen das ganze Jahr über anbiete.

Was müssen alle Eisschwimmer unbedingt beachten? Was ist tabu?

Alisa: Voraussetzung ist natürlich, dass man gut und sicher schwimmen kann und seinen Körper sorgfältig auf Herz und Nieren testen lässt. Um ein Eisschwimmer oder eine Eisschwimmerin zu werden sollte man zudem im Sommer, spätestens aber im Herbst mit dem Training beginnen, um sich so allmählich an die sinkenden Temperaturen zu gewöhnen. Ich selber gehe nie alleine schwimmen. Meine Mutti teilt meine Vorliebe für das eisige Nass und zieht gemeinsam mit mir ihre Bahnen. Der Rest meiner Familie und mein Partner begleiten uns dabei regelmäßig und ermöglichen uns ein sichereres Training. Als zusätzlichen Schutz trage ich auch bei jedem Freiwassertraining meinen Restube, eine aufblasbare Sicherheitsboje.

Wandratsch: Ganz wichtig für Eisschwimmer ist Ruhe. Auch wenn jemand nur ein bis zwei Minuten im Eiswasser schwimmt soll er sich genügend Zeit für das Aufwärmen mitnehmen. Beim Einstieg ins Wasser langsam und ruhig in den Bauch atmen. Als Wärmeschutz unbedingt Bademütze, Ohrstöpsel und eine möglichst große Schwimmbrille. Dazu sollte man immer mit einer Rettungsboje schwimmen, aber dies gilt ja generell beim Freiwasserschwimmen. Absolut tabu ist beim Eisschwimmen Alkohol!

Mit welchen Strecken sollte ein Anfänger im ersten Jahr starten?

Alisa: Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Entsprechend meines Trainingsstandes habe ich direkt mit der Königsdisziplin, den 1000 Metern, begonnen.

Wandratsch: Wenn jemand nicht aus dem Schwimmsport kommt, ist es schon eine super Leistung wenn er beim Wettkampf 25 oder 50 Meter bewältigt. Damit einem der Einstieg leichter fällt bieten wir ja auch Staffeln an, da hat man nur ein Viertel der Belastung da es sich ja auf die vier Staffelteilnehmer verteilt.

Was ist ein Biopren?

Wandratsch: So wird in den Kreisen der Eisschwimmer ein natürlicher Neoprenanzug bezeichnet, sprich man futtert sich über die Wintermonate und währen der Weihnachtszeit eine ordentliche Fettschicht an….lecker , lecker

Seid ihr eigentlich verrückt? Schwimmverrückt?

Alisa: Ich bin schwimmverrückt, ich liebe das Wasser und genieße das Schwimmen zu jeder Jahreszeit.

Wandratsch: Naja ich würde mich nicht als verrückt bezeichnen, alles was ich mache ist mit meinem Team genau vorbereitet und ich hab ordentlich trainiert. Ich überlasse nichts dem Zufall. Naja und ich muss schon sagen, dass ich sehr gerne schwimme, allerdings nicht nur im kalten Wasser. Ich liebe es auch im Sommer bei 30 Grad Wassertemperatur zu schwimmen.

Was sagen Eure Freunde zum eiskalten Hobby?

Alisa: Meine gesamte Familie und mein Partner stehen voll hinter mir und freuen sich mit mir über meine Erfolge.

Wandratsch: Unsere Freunde finden das cool, manche konnten wir ja auch schon davon überzeugen mitzumachen.

Viele Eisschwimmer hoffen, dass ihre Sportart olympisch wird, dass Eisschwimmer bei den Winterspielen antreten dürfen. Ist dieser Wunsch realistisch?

Alisa: Die IISA verfolgt die Vision Eisschwimmen als olympische Disziplin bei den Winterspielen 2022 einzuführen. Meiner Meinung nach ist dieser Wunsch auch realistisch. Fest steht: Ich möchte dabei sein, wenn es soweit ist.

Wandratsch: Das mit Olympia ist so eine Sache. Formel 1 oder der Ironman sind ja auch nicht olympisch und haben trotzdem einen sehr hohen sportlichen Stellenwert. Andererseits sind die beiden Weltverbände IISA und IWSA schon gewollt olympisch zu werden, aber dazu müssten sie sich wohl erst einmal einig sein. Ganz unrealistisch ist der Wunsch nicht. Ich selbst hatte diesen November schon Kontakt mit den Chinesen und sie haben mich auch für Mitte Januar 2020 zum Weltcup eingeladen. Mal schauen wie das Winterschwimmen dort so ankommt.

Infos zu den German Open und zur WM im Netz
www.ice-swimming.com
https://winterswimming-bled.com

Martin Tschepe
Martin Tschepehttp://www.bahn9.de/
Martin Tschepe ist freier Autor, Swimguide, Freiwasser- und Eisschwimmer des SV Ludwigsburg.

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