Ein imposantes, leicht gewölbtes Hallendach. Große Sprossenfenster, durch die an diesem strahlend schönen Spätsommertag die Sonnenstrahlen schimmern. Vier Bahnen, ein Drei-Meter-Brett und am Beckenrand ein Mann, der das Gebäude aus dem Jahr 1939 und die Anfang der 90er-Jahre erneuerte Technik kennt, wie kein zweiter. Willkommen im nördlichsten Schwimmbad der Republik.
Ein kleiner Rundgang mit Schwimmmeister Mathias Roßberg, 52 Jahre, inklusive einer Stunde Nachhilfe in Sylter Kommunalpolitik. Roßberg kennt sich aus, nicht nur im Lister Hallenbad, auch auf der Insel. Er ist auf Sylt zur Welt gekommen, Mitglied bei der DLRG und Lister Gemeindevertreter.
Salzwasser in Westerland
Wenn es nach den Bedenkenträgern auf der Insel ginge, sagt Roßberg, dann hätte das Hallenbad im nördlichsten Ort Deutschlands schon längst geschlossen. Viele Schwimmer auf Sylt hatten befürchtet, die Eröffnung der neuen Schwimmhalle in der Inselmetropole Westerland zur Jahreswende 2015/2016 würde das Aus für das imposante Bad mit dem bombensicheren Dach vollends besiegeln. Selbst manche Schwimmer und Wasserballer sagen, sie bevorzugten den Neubau im zentral auf der Insel gelegenen Westerland. Auch, weil der Weg nach List angeblich so lang sei – rund 15 Kilometer von Westerland. Das neue Becken in Westerland ist aber mit Meerwasser befüllt, was wettkampfgemäßes Training torpediert – und es ist für manche Badegäste zu tief, zum Beispiel für behinderte Schwimmer und für die Babyschwimmkurse, die nach wie vor in List stattfinden.
Die Betreibergemeinschaft, die das einst von der Wehrmacht erstellte Bad unterhält, macht trotz des schmucken Neubaus im Nachbarort einfach weiter. Zu der Gemeinschaft gehört laut Auskunft von Mathias Roßberg allerdings nur noch die Sylter DLRG. Die anderen Sportvereine, die sich zusammengeschlossen hatten, seien ausgestiegen, nutzten das Bad aber nach wie vor. Bis dato fließen noch Zuschüsse, die die Kommunen auf Sylt überweisen. Aber bleibt das langfristig so? Das ist die bange Frage der Lister.
Von der Wehrmacht gebaut
An diesem Nachmittag trainiert in List eine Kleingruppe auf den Bahnen eins und zwei. Nebenan schwimmt ein einsamer Triathlet. Normalerweise sei mehr los, sagt der Schwimmmeister. Aber wegen der ungewöhnlich hohen Septembertemperaturen hätten sich die anderen Triathleten, die normalerweise auch kommen, wohl für eine der Sylter Alternative entschieden: Schwimmen im Meer, laufen am Strand, Radfahren auf den Wegen in den Dünen. Die Trainerin der Nachwuchsschwimmer auf den Bahnen eins und zwei sagt, das Lister Bad sei weit besser geeignet als der Neubau in Westerland. In erster Linie wegen des Süßwassers.
Anno dazumal sind Soldaten in dem Bad geschwommen, das so stabil gebaut worden ist, dass es selbst einem Bombardement hätte standhalten sollen. Zunächst kamen Uniformierte der Wehrnacht, später, nach dem Zweiten Weltkrieg, britische Soldaten und dann Bedienstete der Bundeswehr.
Mathias Roßberg erzählt, dass die Lister Wasserballer Ende der 1940er-Jahre große Erfolge feierten – weil das Lister Bad damals eines der ganz wenigen im Land gewesen sei, das nicht zerstört war. Training war andernorts im Land kaum möglich, „und wer in List trainieren wollte, der musste Kohlen mitbringen, um den Heizkessel zu befeuern“. Lange her.
Unter Denkmalschutz
Nach dem Abzug der Bundeswehr vor rund zehn Jahren hat ein Privatunternehmen den gesamten Militärkomplex inklusive Schwimmbad übernommen. Der Plan, auf dem Areal ein Nordsee-College zu eröffnen, ist längst beerdigt worden. Nun sollen auf einem Teil des Geländes Wohnungen entstehen. Das Bad indes soll nicht abgerissen werden. Es stehe unter Denkmalschutz, sagt der Schwimmmeister. Die Pacht sei vergleichsweise preiswert. Und wenn kleinere Reparaturen anstehen, dann versuchen der Schwimmmeister und die Betreibergemeinschaft Sponsoren zu finden und preiswerte, mitunter gebrauchte Ersatzteile zu ergattern.
Mathias Roßberg sagt, das alte Bad biete nicht nur den Sylter Vereinen tolle Möglichkeiten. Gelegentlich werde das Hallenbad an andere Clubs vermietet. Die Gastsportler könnten entweder preiswert in der Lister Jugendherberge absteigen oder im Luxushotel Arosa. List sei ein prima Trainingsrevier – zum Beispiel für Triathleten. Sogar die Fußballer vom Hamburger SV seien schon mal in List abgestiegen. Den Weg in das betagte Bad hätten sie aber nicht gefunden, sagt Roßberg. Selber schuld.
Toll geschrieben.