Dienstag, 23. April 2024

Darum lohnt sich ein gründliches Aufwärmen

Darum lohnt sich ein gründliches Aufwärmen

Noch eine Dreiviertelstunde bis zu Ihrem Start. Wenn Sie sich jetzt kurz Zeit nehmen, sich in am Startbereich umzuschauen, werden Sie sehen, dass Sie mehrere Möglichkeiten haben, diese 45 Minuten zu nutzen. Dort drüben isst zum Beispiel ein Athlet schnell noch einen Energieriegel. Auf der anderen Seite kreist eine kleine Gruppe jüngerer Schwimmer locker die Arme. Und am Start helfen sich bereits mehrere Konkurrenten gegenseitig beim Aufsetzen der Badekappen. Sie selbst haben jetzt noch gut 40 Minuten Zeit, sich für den Wettkampf aufzuwärmen. Was tun? Denn wie Ihre Vereinskollegin, die schon im Training angekündigt hat, dass sie ihre Kräfte nicht schon beim Warm-up vergeuden werde, wollen Sie es sicher nicht handhaben.

arena / spomedis Logo der arena swim academy online.

Sollten Sie auch nicht: „Auf das Aufwärmen sollte niemand verzichten“, sagt Thomas Moeller, Sportwissenschaftler am Institut für Angewandte Trainingswissenschaften in Leipzig, und weist auf eine Studie mit Schwimmern hin, bei der sich herausgestellt hat, dass die Laktatkonzentration im Blut nach 400 Metern deutlich niedriger war, wenn sich die Athleten vor der Belastung aufgewärmt hatten.

Kopf und Körper anheizen

Aus medizinischer Sicht hat das Aufwärmen vor allem einen Sinn: den Körper vor der Belastung auf Betriebstemperatur zu bringen und ihn so auf das vorzubereiten, was ihm in den nächsten Stunden bevorsteht. Denn wie ein Automotor, der sich erst warmfahren muss, funktioniert auch Ihr Körper besser, wenn Sie sich vorher ein wenig bewegt haben: Ein in Schwung gebrachter Kreislauf sorgt für eine stärkere Durchblutung der Muskulatur, die dann besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Weil chemische Reaktionen bei einer leicht erhöhten Körperkerntemperatur schneller ablaufen können, werden Nervenimpulse nach dem Warm-up schneller weitergeleitet, die Kontraktionsfähigkeit der Muskulatur steigt, Ihre koordinativen Fähigkeiten werden besser. Der Körper stellt sich hormonell auf die Leistung ein und auch das Knorpelgewebe profitiert: Es gewinnt Studien zufolge während des Warm-ups deutlich an Flüssigkeitsvolumen und wird damit widerstandsfähiger gegen Stoßbelastungen. Wer aufgewärmt in harte Belastungen geht, ist also weniger anfällig für Verletzungen.

Auch der psychische Aspekt ist nicht zu unterschätzen: Während Sie sich aufwärmen, stimmen Sie sich mental auf das Rennen ein, können sich besser konzentrieren und motivieren. Moeller: „Jeder Sportler sollte sich an ein regelrechtes Aufwärmritual mit einem festen Zeitplan gewöhnen.“

Keine Gnade für Aufwärm-Muffel

Wie und wie lange Sie sich aufwärmen, hängt von Ihren persönlichen Vorlieben, aber auch von der Länge des Rennens ab. Kurzstreckenschwimmer bereiten sich meistens länger auf ihren Wettkampfeinsatz vor als Langstreckler, Anfänger machen sich nicht so lange warm, wie erfahrene Athleten. Denn Ermüdungserscheinungen dürfen im Zuge des Warm-ups natürlich noch nicht auftreten. Das war bei einer Untersuchung von Dortmunder Wissenschaftlern der Fall, die feststellen mussten, dass ein intervallartiges Aufwärmprogramm auf dem Laufband für die getesteten Freizeitsportler eher eine Ermüdung als eine Leistungssteigerung darstellte. Moeller bestätigt: „Wer beim Schwimmen nur ums Überleben kämpft und die 500 Meter so gerade schafft, der sollte auf das Einschwimmen besser verzichten.“

Frank Wechsel / spomedis Weltrekordler Steffen Deibler beim Warm-up.

In einer Dreiviertelstunde können Sie in Ruhe ein ausführliches Programm „abarbeiten“. Für Minimalisten und Aufwärm-Muffel hat Moeller Verständnis, doch auch sie sollten mindestes eine Viertelstunde in ihr Warm-up investieren. Professor Dr. Klaus Völker, Direktor des Instituts für Sportmedizin an der Universität Münster, bestätigte in einem Interview gegenüber ZDF.online: „Der gesamte Organismus braucht mindestens fünf Minuten, um sich von Ruhe auf die Belastungssituation umzustellen. Weitere fünf bis zehn Minuten sollten anschließend der gezielten Vorbereitung des Bewegungsapparats dienen.“

Bevor Sie Ihren Körper mit sportartspezifischen Bewegungsabläufen ganz gezielt auf die Belastung vorbereiten, können Sie das Aufwärmen mit lockerem Armkreisen und Hüpfen beginnen. Im Wasser folgen dann nach einem lockeren Einschwimmen einige technische Übungen und kurze Antritte. Falls das Wasser zu kalt ist, um darin mehr Zeit als nötig zu verbringen, „sollten alle Athleten mit einem Alternativprogramm gewappnet sein“, rät Moeller. So können Sie die technischen Übungen und Antritte mit Hilfe eines Therabands oder Zugseils fast genauso gut an Land simulieren, nachdem Sie sich mit lockerem Armkreisen allgemein aufgewärmt haben. Lockeres Armkreisen reicht auch den meisten Freiwasserschwimmern als Aufwärmprogramm fast schon aus. Für sie bleibt unterwegs noch ausreichend Zeit, um auf Betriebstemperatur zu kommen.

Ein viertel weniger Leistung

Damit sich das lange Aufwärmprogramm auch wirklich lohnt, sollte zwischen Warm-up und Start nicht mehr allzu viel Zeit verstreichen – sonst kühlen Sie wieder aus. Bei einem Wettkampf im Freibad oder im Freiwasser können Sie sich je nach Witterung in einer zusätzlichen Bekleidungsschicht aufwärmen, die Sie erst kurz vor Wettkampfbeginn ausziehen. Ausgiebige Dehnübungen dürfen Sie guten Gewissens aus Ihrem Aufwärmprogramm streichen – eine kurz vor dem Start gut gedehnte Muskulatur bringt im Wettkampf keinen Vorteil. Im Gegenteil: Wer seine Muskeln nach dem Stretchen nicht mehr aktiviert (zum Beispiel durch kurze Sprints), geht das Risiko ein, völlig entspannt ins Rennen zu gehen. Den gleichen negativen Effekt hätte passives Aufwärmen: Nach Massagen und warmen Bädern fühlen sich Ihre Muskeln zwar subjektiv wärmer an, leistungsfähiger sind sie jedoch nicht. Denn solche Maßnahmen setzen genauso wie das Dehnen den Muskeltonus herab. Sie nehmen die für Höchstleistungen wichtige Spannung. Eine Untersuchung der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin hat sogar ergeben, dass die Leistungsfähigkeit nach statischem Dehnen um bis zu 23 Prozent sinken kann.

Frank Wechsel / spomedis Wie sinnvoll Dehnen vor dem Wettkampf ist, ist umstritten.

Warm-up für die Lunge?

Australischen und britischen Wissenschaftlern zufolge scheint es übrigens sogar sinnvoll zu sein, nicht nur die arbeitende Skelettmuskulatur, sondern auch die Atemmuskulatur auf die anstehende Belastung vorzubereiten: Die von ihnen untersuchten Schwimmer waren nach einem Aufwärmprogramm, das auch Atemübungen umfasste, über eine Strecke von 200 Metern um bis zu zwei Prozent schneller als Athleten, die während des Warm-ups einfach nur geschwommen waren. Einen Konkurrenten, der seine Atemmuskulatur aufwärmt, entdecken Sie in dem Trubel, der um Sie herum inzwischen herrscht, wahrscheinlich nicht. Stattdessen sehen Sie, dass es nur noch 30 Minuten bis zum Start sind. Höchste Zeit, dass Sie nun selbst mit dem Aufwärmen beginnen!

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