Hamza Bakircioglu macht aus der Not eine Tugend. Der 47-jährige Mann aus Sonthofen schwimmt zurzeit täglich im Sonthofer See. Bei sieben Grad Wassertemperatur, maximal drei Kilometer weit. Ohne Neoprenanzug.
Der Mann mit türkischen Wurzeln hat Großes vor. Manche Schwimmkollegen sagen, sein Plan sei unmöglich zu verwirklichen – ohnehin nicht und jetzt, in Anbetracht der Probleme wegen der Coronakrise, erst recht nicht. Hamza Bakircioglu will im Juli die doppelte Bodenseequerung packen: gut 130 Kilometer weit kraulen von Bodman nach Bregenz und dann wieder zurück. Sein Projekt hat er BBB genannt – Bodman Bregenz Bodman.
Bis zur Schließung der Bäder habe er wöchentlich rund 100 Kilometer abgespult, nun komme er nur noch auf maximal 20, sagt Hamza. Dafür renne er nun täglich mehrere Kilometer und mache mehr Krafttraining. Sobald das Seewasser zwölf Grad habe, „erhöhen wir die Trainingskilometer auf zehn pro Tag, also rund 70 in der Woche“. Wir, das sind der Schwimmer und sein Trainer und Mitschwimmer Uli Munz.
Umstrittener Rekordhalter
Hamza Bakircioglu ist in Sonthofen geboren, aufgewachsen ist er in der Türkei bei seinen Großeltern. Seit 1981 lebt er in Deutschland. Schwimmen, sagt er, „habe ich in der Türkei gelernt. Es gab kein Freibad, ich musste zwei Stunden bis zum nächsten See zu Fuß laufen.“ Erst seit 2012 schwimmt er regelmäßig. Manche nennen Bakircioglu Mister Bodensee. Er ist zwar nicht der schnellste Bodensee-Bezwinger, wohl aber der mit den meisten geschwommenen Kilometern. Er ist die lange Seequerung – etwa 67 Kilometer – in knapp 31 Stunden gekrault. Vorher hatte er dreimal aufgeben müssen: 2013 nach 56 Kilometern, Abbruch wegen eines Sturms. 2014 nach 60 Kilometern, wieder Abbruch wegen Sturms. Und 2015 nach 52 Kilometer, Abbruch wegen Schulterschmerzen.
Hamza Bakircioglu hält einen nicht unumstrittenen Weltrekord im Eisschwimmen: im Februar 2018 ist er bei 4,1 Grad Wassertemperatur die doppelte Eismeile, 3.450 Meter, geschwommen, 68 Minuten lang. Kritiker sagen, es sei zu gefährlich so lange im Eiswasser zu schwimmen. Die 45 Minuten bei sieben Grad im Sonthofen See dürften für Bakircioglu jedenfalls kein größeres Problem sein.
4 Stunden im Pool
Conny Prasser lebt in Moritzburg bei Dresden – und sie hat vermutlich bundesweit die besten Trainingsmöglichkeiten. Die 44-Jährige hat im Garten einen privaten Pool mit Gegenstromanlage. Sie kann jederzeit im etwa 16 Grad warmen Wasser schwimmen. An manchen Tagen schwimmt sie drei oder vier Stunden lang. Conny Prasser bereitet sich auf die einfache Bodensee-Längsquerung vor. Wie Bakircioglu hofft sie, dass die Kontaktsperre spätestens in ein paar Wochen aufgehoben oder zumindest gelockert wird. Andernfalls wäre es vermutlich kaum möglich, Anfang Juni den Bodensee zu bezwingen, der dann etwa 16 Grad haben dürfte. Jeder Bodenseeschwimmer benötigt mehrere Begleiter, die unweigerlich im Quartier und auf dem Begleitboot zusammenkommen müssten.
Conny Prasser schwimmt zusätzlich zum Training in ihrem Privatbecken in einem kleinen See in der Nähe ihres Hauses, der Weiher ist nicht tief, sie könne überall stehen, sagt sie. Das Wasser habe knapp sieben Grad. „Ich schwimme maximal 30 Minuten – ohne Neo“. Demnächst werde sie auch länger mit Neoprenanzug im See bleiben, „nützt ja alles nix, auch wenn ich die Pelle nicht mag“.
Schwimmen kann auch Feinde machen
Conny Prasser ist eine routinierte Eisschwimmerin. Anfang Februar ist sie bei den Weltmeisterschaften im Winterschwimmen im Bleder See (Slowenien) gestartet und ein paar Wochen später bei den Zollhaus Open in einem kleinen See im Erzgebirge bei knapp drei Grad Wassertemperatur. Conny will als erste Frau die Bodensee-Längsquerung schaffen – mit diesem Ziel vor Augen trainiert sie zurzeit, ohne freilich zu wissen, ob sie überhaupt antreten kann.
Die meisten Schwimmer in Deutschland, auch die Nationalschwimmer, pausieren derzeit. Sie halten sich mit Laufen, Radfahren sowie Kraft- und Athletiktraining einigermaßen fit. Manche indes trainieren zwar im Wasser, wollen darüber aber nicht sprechen. „Lasst mich raus“, sagt einer auf Anfrage. Er werde angefeindet, weil er immer noch regelmäßig ins Wasser gehe – obwohl das nicht verboten sei. Sein Kommentar: „Zu viele Hater, besser man sagt gar nichts mehr. Schon traurig.“
Wie ein anderer deutscher Topschwimmer zur Zeit trainiert, lest ihr morgen auf swim.de.