SWIM-Blog „EISZEIT“ | Knackendes Eis? Das ist Musik in meinen Ohren

Wenn ich einfach so im Wasser stehe und die Zeit vergesse, entsteht durch die Abwärme meiner Haut eine Art Isolationsschicht um mich herum. Das ist mein unsichtbarer Wärmemantel.

Es knuspert und klirrt und knackt. Musik in meinen Ohren! Wenn ich mit einem dicken Ast das Eis auf der Brucher Talsperre aufschlage und die handgroßen Schollen gegeneinanderstoßen, entsteht ein wundersames, helles Geräusch, das nur die Natur kann. Vorsichtig schreite ich im Badeanzug und mit nackten Füßen Schritt für Schritt die Rampe hinunter und schiebe das Eis behutsam zur Seite. Ziemlich scharfkantig, das gute Zeug.

Dann ist die Arbeit getan, das Loch ist groß genug für vier, fünf Leute. Jetzt beginnt der Genuss. Einfach eintauchen und atmen. Ich erzeuge Dampfwölkchen vor meinem Mund und meine Haut verfärbt sich innerhalb weniger Sekunden krebsrot vor Kälte. Mein Körper arbeitet und ich bin glücklich. Wenn dann noch wie gemalt die Sonne scheint und der strahlend blaue Himmel sich auf dem zugefrorenen See spiegelt, könnte es nicht besser sein. Augen zu, abschalten. Bis mich ein Ruf aus meinem Tagtraum reißt.


SWIM-Blog „EISZEIT“

Blog 1: Je kälter, desto besser
Blog 2: Eisschwimmen kostet nichts. Außer Überwindung
Blog 3: Serienstart im Silbersee und Bestzeit in Amsterdam
Blog 4: Fantastisch frostig


8 Minuten

Zwei Spaziergänger – dick eingepackt in Wintermäntel, Mützen und Handschuhe – stehen auf der Plattform am See und fragen mich lautstark: Ist das nicht kalt? Tja, was soll ich sagen? Voll kalt! Voll toll! Unter zwei Grad Wassertemperatur, die Oberfläche am Eis natürlich um die null. Aber wenn ich einfach so dort im Wasser stehe und die Zeit vergesse, entsteht durch die Abwärme meiner Haut eine Art Isolationsschicht um mich herum. Ein unsichtbarer Wärmemantel. Auch das kann nur die Natur.

Aber nach acht Minuten gehe ich dann trotzdem raus und entscheide mich für echte Kleidung aus Stoff. Ich tanze und hüpfe, damit meine Muskeln neben dem Zittern noch was anderes zu tun haben, und grinse bis über beide Ohren. Schade eigentlich, dass man nicht den ganzen Tag im Eiswasser hocken kann. Gewisse Grenzen gibt es ja dann doch, aber die Grenzen in unserem Kopf sind oft verschiebbar.

Wenn ich mich mit Nicht-Eisbadern unterhalte, höre ich oft Sätze wie „Ich könnte das nicht“ oder „Mir wird beim Zugucken schon kalt“. Kenne ich von mir. Aber wenn man einmal angefangen hat, merkt man, dass Frieren auch was für sich hat und wir viel mehr können, als wir glauben. Das habe ich vor allem bei der Eisschwimm-Weltmeisterschaft in Norditalien gemerkt. Ich hätte nie gedacht, dass ich ohne Zucken und Murren in einen Pool gehe, der eben noch vom Eis befreit wurde und keine zwei Grad Wassertemperatur misst. Wenn der Wettbewerb startet, heißt es: „Take your clothes off. Go into the water. Take your marks!“ Dann ein lautes, elektrisches Tuten und los geht’s.

„Ihr macht das toll!“

Ich bin in Molveno über 50 und 100 Meter Freistil und einmal in der Mixed-Staffel gestartet. Und alle drei Einsätze waren ein echtes Erlebnis. Klar, die letzten paar Züge fühlen sich an wie Kaugummi, die Finger werden taub und alles wird zäh und langsamer. Aber die Glücksgefühle danach sind nicht zu übertreffen. Drumherum jubelt das Publikum in dicken Jacken und mit warmem Tee in der Hand den Schwimmerinnen und Schwimmern zu und alle haben eine gute Zeit.

Marco, der Rezeptionist in meinem Hotel genau gegenüber vom Wettkampf-Pool sagte zu mir: „Wir würden niemals in so kaltem Wasser schwimmen. Aber ihr macht das toll!“ Ich sage immer: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich recht ungeniert. So komme ich auf jeden Fall gut klar und mittlerweile wissen die Leute in meinem Dorf, dass alles okay ist, wenn ich mich in Bikini und Mütze im Schnee durch meinen Vorgarten wälze und ich mit Hammer und Bademantel an meiner Eistonne stehe und voller Inbrunst den Weg freimache.

Wir sind also vielleicht ein sonderbares, aber eben auch ein ganz wunderbares Trüppchen und wir nehmen gerne Neulinge und Neugierige mit auf. Im Winter ist ja zum Glück Platz genug im Wasser – egal ob im Pool, im See oder im Fluss. Und bei der Gelegenheit möchte ich euch gern einladen: Am 15. März gibt es im Oberbergischen Kreis ein Fest der Kaltbadefreunde: das große Abbaden am Aggerstrand in Ründeroth (Engelskirchen). Egal, ob alter Eishase oder Zuschauer, kommt gerne dazu. Von 13 bis 18 Uhr gibt es Kaltbäder in der Agger, eine Fass- und eine Zeltsauna zum Aufwärmen, eine Grillbude und Aufwärm- und Umziehmöglichkeiten im AWO-Café, das wir für den Tag mieten. Let’s knusper together! Hier könnt ihr euch für 10 Euro anmelden.

Anita Horn

Als Ausdauersportlerin mit Hang zum Außergewöhnlichen bloggt Anita auf SWIM.DE über ihre Erlebnisse im eisigen Wasser. Auf ihrer Website kannst du dich zu einem Online-Coaching anmelden. Tolle Bilder gibt es immer auf Anitas Instagram-Account.

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Anita Horn
Anita Hornhttps://www.ahornzeit.de/iss-gut-jetzt-das-neue-buch-von-anita-horn/
Ich bin Sportlerin und Sportjournalistin und beschäftige mich auch viel mit dem Thema Ernährung. Im März 2024 erscheint mein Buch „IS(S) GUT JETZT!“ Auf meiner Website bekommt ihr alle Infos dazu und könnt euch zu meinem Newsletter anmelden.

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