Auch am Tag zwei der Eisschwimm-WM in den französischen Alpen fallen mehrere Weltrekorde. Aus deutscher Sicht sorgt Alisa Fatum über 500 Meter für die überragende Leistung.
Etwa vier Grad kaltes Wasser kann sich ganz schön unangenehm anfühlen. Diese Erfahrung macht zurzeit der deutsche Langstrecken-Nationalschwimmer Andreas Waschburger bei den Weltmeisterschaften im Eischwimmen in Samoëns in Frankreich. Als Waschburger am Freitagnachmittag nach seinen ersten 500 Metern im richtig kalten Wasser aus dem Becken im Lac aux Dames in den französischen Alpen steigt, möchte er sich lieber noch nicht festlegen, ob er am nächsten Abend tatsächlich auch die 1.000 Meter in Angriff nehmen will. Er steht jedenfalls in der Meldeliste des schnellsten Männerlaufs, der in ziemlich genau 24 Stunden gestartet wird.
Waschburger hat soeben über die 500 Meter nach einer grandiosen Aufholjagd Platz zwei in der offenen Wertung geholt, in 5:38,64 Sekunden. Er ist happy mit dieser Leistung. Unmittelbar nach seinem Rennen erzählt er, dass er bis dato noch nie im Eiswasser geschwommen sei. Noch nie! Viele Mediziner raten von so einem Kaltstart ab. Aber egal, Waschburger ist wenig später schon wieder putzmunter, will sich allerdings auch knapp zwei Stunden nach dem Rennen, während der Siegerehrung, immer noch nicht entscheiden: Startet er am Samstag über die doppelte Strecke? Oder doch lieben nicht? Über 500 Meter ist nur der Bulgare Radostin Karstev, Jahrgang 2001, schneller als der deutsche Langstreckler. Einmal mehr zeigt sich: Die ganz schnellen Zeiten zaubern oft die jungen Schwimmer ins Eiswasser.
Highlight am zweiten Wettkampftag
Aus deutscher Sicht sorgt am Freitag Alisa Fatum für die überragende Leistung. Die Leipzigerin schwimmt ein einsames Rennen an der Spitze – und sie knackt ihre eigene Bestmarke über 500 Meter Freistil. Der neue Weltrekord steht nun bei 6:10,88 Sekunden.
Ein paar Stunden vor den beiden 500er-Topläufen – Frauen und Männer – stehen zunächst 100 Meter Schmetterling und 100 Meter Brust auf der Tagesordnung. Der 18-jährige US-Amerikaner Keaton Jones schwimmt nach seinem Weltrekord vom Vortag nun im letzten Lauf über 100 Meter Schmetterling einen neuen Weltrekord: 59,36 Sekunden. Kurz vor dem Amerikaner hat der Erlanger Kilian Gräf ebenfalls einen Weltrekord über 100 Meter Schmetterling aufgestellt, in deutlich bescheideneren 1:14 Minuten. Eine Bestmarke, die verwundert – aber die 100 Meter Schmetterling in Frankreich werden erstmals überhaupt bei einer WM im Eiswasser geschwommen. Gut möglich, dass der 17-Jährige aus Erlangen als der Schwimmer in die Geschichte eingeht, der nur wenige Minuten lang Weltrekordhalter war.
In Samoëns fallen auch viele Altersklassen-Weltrekorde. Der deutsche Teamleiter Stefan Runge, Jahrgang 1966, aus Hamburg zum Beispiel kann sich rühmen, dass er den allerersten AK 55-Weltrekord über 100 Meter Schmetterling aufgestellt hat – in 1:27 Minuten. Diese Marke dürfte demnächst geknackt werden, aber Stefan bleibt für alle Ewigkeit der Mann, der den allerersten Rekord geschwommen ist. Glückwunsch. Mehrmals auf dem Podium steht auch die deutsche Para-Schwimmerin Tina Deeken.
„Eisschwimmen wird olympisch werden“
Die Stimmung unter den fast 500 Schwimmerinnen und Schwimmern aus rund 40 Ländern ist meistens gut. Ob die Sonne scheint oder ob es regnet, egal. Fast vergessen scheint der Ärger vom Vortag wegen fehlender Medaillen. Die Veranstalter geben statt Medaillen nämlich Plaketten mit Magnet aus, die man zum Beispiel am Kühlschrank befestigen kann. Ist okay, sagen viele. Der Präsident der International Iceswimming Association, der Südafrikaner Ram Barkai, erklärt am Rande der Wettkämpfe, dass er sich nach wie vor sehr sicher sei: Eisschwimmen werde olympisch, winter-olympisch. Die Frage sei nur wann. Es könnte noch ein bisschen dauern.
Wir sind während der WM zu fünft in einem Appartement gleich neben der Wettkampfstätte abgestiegen – zwei meiner Mitbewohner auf Zeit und ich sahnen am Tag zwei der Meisterschaften auch mit ab. Franziska Partheymüller gewinnt die 100 Meter Brust in der AK 25 mit einem neuen AK-Weltrekord, in der Gesamtwertung wird Franzi Zweite. Lars Mack holt in seiner AK 45 über 100 Meter Brust Bronze. Und ich bin auch ganz zufrieden mit einem weiteren dritten Platz in meiner AK 55, diesmal über 500 Meter Freistil.
Am Samstag stehen für mich die 100 Meter Rücken auf dem Programm und die Zuschauer können sich freuen auf das Toprennen der schnellsten Frauen und Männern über 1.000 Meter. Bei den Frauen gehört Alisa Fatum wieder zu den Topfavoritinnen. Und bei den Männern bleibt abzuwarten, ob Andreas „Waschi“ Waschburger nochmal in den Ring steigt, pardon: ob er nochmals einen Ausflug ins Eiswasser wagt. Ram Barkai behauptete, während der 500 Meter, die 1.000 Meter seien für Athleten wie Waschburger einfacher zu schwimmen als die 500. Mal schauen, ob der Langstreckenspezialist das auch so sieht.