Donnerstag, 12. Dezember 2024

Cooles Ice-Cup-Finale: Schnee und Eis im Erzgebirge

Was für ein cooles Finale. So muss Eisschwimmen sein. Frau Holle hat es gut gemeint mit den eiskalten Männern und Frauen, die nur mit Badehose beziehungsweise Badeanzug und mit Badekappe bekleidet schwimmen, bei Temperaturen unter fünf Grad Celsius. Pünktlich zum Finale des Ice Cups 2019/2020, das im Rahmen der Zollhaus Open in einem keinen See gleich neben dem Hotel Altes Zollhaus im Erzgebirge (Sachsen) über die Bühne geht, ist nochmal ordentlich Schnee gefallen. Soweit das Auge reicht: alles ist weiß an diesem letzten Tag im letzten richtigen Wintermonat Februar.

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Gerrit Curcio, seine beiden erwachsenen Söhne Aaron und Noah sowie die anderen Helfer haben ganze Arbeit geleistet. Die Hotelbetreiber haben drei exakt 25 Meter lange Schwimmbahnen in den See gezaubert, der ein paar wenige Gehminuten unterhalb des Zollhauses auf etwa 800 Höhenmetern liegt. Zelte sind aufgebaut, in einer mobilen Sauna mit Seeblick heizt ein Holzofen, und das Wasser im Hot Tub, einem Bottich, in dem rund zehn Personen Platz finden, ist auf fast 40 Grad erwärmt. Die Wege zur Startbrücke am Seeufer sind vom Schnee so gut wie möglich befreit. Das letzte Eisschwimmen in diesem Winter, das zur Ice-Cup-Serie gehört, wird am Vormittag gestartet. Auf dem Programm steht zunächst die Königsdisziplin: die 1.000 Meter Freistil – bei knapp drei Grad Wassertemperatur, wie der Sprecher über das Mikrofon erklärt.

1.000 Meter trauen sich nur wenige zu

Die langsameren Schwimmer sind für diese Strecke fast eine halbe Stunde unterwegs. Die schnellste Zeit schwimmt – wieder mal – Alisa Fatum aus Dresden: 13:33 Minuten. Schnellster Mann ist Stefan Runge aus Hamburg in 14:45 Minuten. Einer verpasst seinen Start, weil er am Vortag noch bei den französischen Eis-Meisterschaften geschwommen ist und zu spät zum Flughafen kommt: Christof Wandratsch aus Heiming in Bayern. Doch Wandi hat in diesem Winter schon genügend Rennen für sich entschieden. Am Abend nach den Zollhaus Open werden er und Alisa Fatum als Gewinner des Ice Cups gekürt. Wer den Cup holen will, muss bei mehreren Eisschwimmen in Europa möglichst viele Punkte sammeln, auf vier Langdistanzen (1.000 und 500 Meter), vier Mittelstrecken (100 bis 499 Meter) und vier Kurzstrecken (50 und 25 Meter).

Die meisten Starter bei den Zollhaus Open indes haben weder den Cup im Kopf noch unbedingt die Podiumsplätze bei diesem coolen Finale. Für viele 1.000-Meter-Schwimmer heißt es zunächst mal: ankommen ist (fast) alles. Klar, die meisten wollen ihrer Bestzeit nahekommen oder diese persönliche Marke ein klein bisschen verbessern – was mir gelingt. Ich schwimme 15:28 Minuten, die immerhin drittbeste Zeiten aller Männer (bei einem zugegeben überschaubaren Feld von Teilnehmern). Die 1.000 Meter trauen sich viele nicht zu. Insgesamt sind bei den Zollhaus Open rund 65 Schwimmerinnen und Schwimmer am Start, fast doppelt so viel wie bei der Premiere im Vorjahr. In kommenden Winter, sagt Gerrit Curcio, dürften es gerne nochmal ein paar mehr werden. Dann, sagt der Mann, der früher für den SV Cannstatt geschwommen ist, sollen zwei weitere Bahnen in den See gezogen werden.

Eis auf dem Wasser

Die Bedingungen bei den Zollhaus Open sind ideal. Und trotzdem sind die 1.000 Meter immer wieder eine echte Herausforderung. Kaum ein Schwimmer ist wirklich happy, wenn er am Start steht und es heißt: „Take off your Clothes“ und „Go into the Water.“ Alle Wiederholungstäter wissen aber auch: Das Gefühl wenig später, wieder mal angekommen zu sein, ist großartig.

Die Damen im ersten Lauf des Tages haben eine ganz besondere Aufgabe. Sie müssen die Wasserfläche von einer ganz dünnen Eisschicht befreien, die sich über Nacht gebildet hat. Eine dieser Frauen ist Jaqueline Jänike aus Potsdam. Sie krault beherzt los, hält nach knapp 50 Metern indes an und sagt sinngemäß: Es geht nicht. Sie will aufhören. Nach ein paar Sekunden Bedenkzeit ruft sie aber: „Ich mach doch weiter“, strahlt über das ganze Gesicht – und ist nach 22:24 Minuten im Ziel.

Kurz vor meinem Start gegen Mittag kommt tatsächlich die Sonne raus. Grandios. Der Schnee am Ufer glitzert, das Wasser ist klar. Aber es ist wie immer: nach 600, 700 Metern werden die Finger und die Zehen taub, wenig später die ganzen Hände und die Füße. Kurz nach dem Anschlag ist mir diesmal richtig kalt. Im Saunazelt reichen die Helfer heiße warme Tücher. Ein Dank geht an Birgit Becher für diesen top Service. Wie schön. Ganz langsam kommt das Gefühl in die Gliedmaßen zurück und auch dieser Gedanke: Schön, dass ich am Nachmittag noch 200 Meter Freistil, 50 Meter Freistil und Schmetterling sowie eine Staffel schwimmen darf.

Kontrolle vor dem Start

Den anderen Schwimmern geht es ähnlich nach den 1.000 Metern. Knüppelhart sei dieses Rennen gewesen, sagen manche. Ulf Karnikowski zum Beispiel geht es im Ziel zunächst nicht wirklich gut. Und Stefan Runge sagt, während des Schwimmens sei ihm fast ein bisschen schwindelig geworden. Eisschwimmen ist halt Extremsport. Deshalb müssen sich alle Schwimmer, die die langen Strecken absolvieren wollen, vorher ärztlich gut durchchecken lassen, die Veranstalter verlangen EKG-Ausdrucke. Und kurz vor den Starts werden alle Schwimmer von einem Wettkampfarzt untersucht und befragt. Letztlich ist freilich jeder für sich selbst verantwortlich. Wer den Kilometer schwimmen will, muss volljährig sein, sollte mehrmals die Woche im Eiswasser trainieren und auf seinen Körper hören: Sofort aus dem Wasser steigen, wenn sich das Schwimmen nicht gut anfühlt. Bei den Zollhaus Open geht alles glatt, der Zeitplan wird akribisch eingehalten, alle Schwimmer sind spätestes am Abend bei der Party wieder top fit und in Feierlaune.

Für den Veranstalter Gerrit Curcio, für Wandi, für Tatiana Gavrilenkova aus Russland und für mich enden die Zollhaus Open ganz besonders cool: Wir gewinnen das Staffelrennen über 4 x 50 Meter Freistil. Unser Team heißt „Russia meets Germany“, und wir sind uns alle ziemlich sicher: im nächsten Jahr bei den Zollhaus Open sind wir wieder am Start. Schade eigentlich, dass dieser Winter langsam zu Ende geht.

Mehr Infos zu den Zollhaus Open.

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Martin Tschepe
Martin Tschepehttp://www.bahn9.de/
Martin Tschepe ist freier Autor, Swimguide, Freiwasser- und Eisschwimmer des SV Ludwigsburg.

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