Dienstag, 8. Oktober 2024

Schmerz lass nach | Knieprobleme beim Brustschwimmen

Knieprobleme sind unter Brustschwimmern weit verbreitet. Woran das liegt und ­was du gegen den Schmerz tun kannst, erklärt eine Physiotherapeutin und Mastersschwimmerin.

Michael Rauschendorfer

Beim Schwimmen ist das Verletzungsrisiko durch Unfälle bekanntermaßen gering. Stattdessen ­stehen Überlastungssyndrome und Überlastungsschäden im Vordergrund. Das wohl bekannteste ist die Schwimmerschulter, mit der vor allem Kraul-, ­Rücken- und Schmetterlingsschwimmer zu kämpfen haben. In dieser Hinsicht kommen die Brustschwimmer gut weg, doch leider tritt bei ihnen ein anderes Problem auf: das Brustschwimmer-Knie. In der sportwissenschaftlichen Literatur findet sich für Kniebeschwerden bei Brustschwimmern je nach Studie eine Inzidenz (Häufigkeit) von 44 bis 62 Prozent. Im Durchschnitt bekommt also jeder Zweite im Laufe seiner Schwimmlaufbahn irgendwann Probleme mit den Knien. Auch das Brustschwimmer-Knie zählt zu den Überlastungsschäden.

Wo entsteht der Schmerz?

Das mediale (innere) Seitenband am Knie ist breiter als das äußere und verläuft vom unteren Ende des medialen Oberschenkelknochens nach vorn-unten und setzt etwa sieben bis acht Zentimeter unterhalb des Knies am medialen Schienbein an. Die Seitenbänder sind in Streckstellung angespannt, bei Beugung locker, und sichern so die Streckung des Beins zum Beispiel im Stand. Die Besonderheit des inneren Seitenbands ist, dass es mit der Gelenkkapsel flächig verwachsen und deshalb weniger mobil ist als das äußere Seitenband. Das Band selbst ist sehr stabil und enthält keine Nerven. Am oberen und unteren Ende, dort wo das Band an der sensiblen Knochenhaut ansetzt, können Schmerzen auftreten. Auch die Gelenkkapsel ist gut mit Nerven versorgt und kann schmerzen.

Ein weiterer Ort für mediale Knieschmerzen ist die mediale Seite der ­Kniescheibe. Die Kniescheibe ist ein sogenanntes Sesambein, ein Knochen, der in eine Sehne eingebettet ist und der die Kraft des Oberschenkelstreckers wie eine Umlenk­rolle vergrößern kann. Die Kniescheibe gleitet beim Beugen und Strecken über den Oberschenkelknochen. Der Oberschenkelstrecker (M. quadriceps) setzt sich aus vier Anteilen zusammen, die gemeinsam in der Patellasehne münden. Treten beim Brustschwimmen Schmerzen im Knie auf, ­geschieht dies in der Regel am medialen ­Seitenband oder der medialen Patella (Kniescheibe).

Drei Übungen zur Vorbeugung

Schrittbeuge: Verlagere dein Gewicht in Schrittstellung langsam und gerade auf das vordere Bein. Halte die Stellung für einige Sekunden.
Kniebeuge: Beuge die Knie bis etwa 90 Grad. Halte den Rücken gerade und achte darauf, nicht mit den Knien über die Fußspitzen zu ragen.
Einbeinschwung: Stehe gebeugt auf einem Bein. Ziehe das andere Bein zum Bauch und strecke es anschließend nach hinten, ohne den Boden zu berühren. Wiederhole die Bewegung mehrfach.

Als technisch anspruchsvollste der vier bekannten Schwimmarten wird das Brustschwimmen nur von sehr wenigen Athleten technisch gut beherrscht. Betrachten wir einmal die Brustgrätsche: Die Beine sind schmal, die Hüften gestreckt, während gleichzeitig die Fersen Richtung Gesäß angebeugt werden. Die Zehen sind zum Schienbein angezogen, der Fußaußenrand hochgezogen, um bei der folgenden explosiven Streckbewegung nach außen und unten einen guten Abdruck zu finden. Damit unterscheidet sich der Brustbeinschlag deutlich von dem, was der Freizeitschwimmer als Kind gelernt hat.

Oft ist die Technik das Problem

Wie kommt es nun zum Schmerz an der Innenseite des Knies? Das lässt sich mit drei Begriffen aufzählen.

Technikfehler
Vorschädigungen
Überlastung

An erster Stelle steht als Schmerzursache eine unsaubere Technik! Wie erwähnt kommt der Beinschlagtechnik eine große Bedeutung zu, denn der Vortrieb beim Brustschwimmen erfolgt, im Gegensatz zu den anderen Stilen, zum größten Teil aus den Beinen heraus. Die Koordination der Beinbewegung ist anspruchsvoll und fehlerträchtig. Hier sind die Trainer gefragt, Fehler frühzeitig zu erkennen.

dreamstime.com (Teravector) Das Kniegelenk, ein Wunderwerk der Evolution

Wer bereits ein vorgeschädigtes Knie hat, für den ist das Brustschwimmen sicher nicht die beste Option. Ein gesundes Knie kommt, bei sauberer Technik, mit dem komplizierten Beinschlag gut zurecht, aber ein Knie, welches verletzt war oder bereits verschlissen, wird sich bei häufigem Brustschwimmen schmerzhaft bemerkbar machen. Klagt jedoch ein Brustschwimmer mit gesunden Knien und guter Technik über Knieschmerzen, so steckt der Fehler sehr wahrscheinlich in der Trainingssteuerung. Auch ein ausgemachter Brustschwimmer sollte im Training vor allem Kraul und Rücken schwimmen und vergleichsweise wenig Brust. Gutes Brustschwimmen ist nämlich nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern wegen des ständigen Wechsels aus Abbremsen und Beschleunigen auch besonders kraftraubend. Das schwimmt man nicht eben in großem Umfang.

Beim Brustbeinschlag kommt es im Verlauf der Bewegung von einer Kniebeugung zu einer Kniestreckung, allerdings geschieht dies über eine Außenrotation der Unterschenkel. Dabei kommt es kurzfristig zu einer leichten X-Bein-Stellung, die wiederum eine Dehnung auf das innere Seitenband bewirkt. Da dies, wie erwähnt, nicht elastisch ist, erfolgt der Reiz am Sehnenansatz, das heißt an der Knochenhaut und am Knochen. Bei der Kniescheibe ist der Mechanismus etwas anders. Hier liegt eher eine muskuläre Dysbalance im Qua­dri­zeps vor, wodurch die Spannung an der Kniescheibensehne nicht gleichmäßig erfolgt und so auf den ­medialen Anteil der Kniescheibe großer Druck einwirkt.


Was kann man tun?

Mit diesen Tipps und etwas Konsequenz lässt sich das Brustschwimmer-Knie gut behandeln.

Lasse deine Technik von einem erfahrenen Trainer analysieren, um eine falsche Bewegungsausführung als Schmer­zgrund auszuschließen.
Tritt der Schmerz am Innenband auf, gibt es wie bei allen Ansatzreizungen kurzfristig nur eine Lösung: Vermeide Brustschwimmen, bis das Knie wieder schmerzfrei ist.
Tritt der Schmerz an der Kniescheibe aufgrund einer muskulären Dysbalance auf, gleiche die Dysbalance durch moderates Krafttraining aus. Sinnvoll ist zum Beispiel Beinachsentraining im Einbeinstand, um das Zusammenspiel der gesamten Beinmuskulatur zu verbessern.

Übungen

Stelle dich mit dem Bein, das du trainieren möchtest, locker auf ein Wackelbrett oder einen Sportkreisel. Halte nun den Stand, während du das andere Bein nach vorn, zurück und zur Seite bewegst. Am Anfang gelingt dies oft besser vor einem Spiegel, mit etwas Übung klappt es sogar mit geschlossenen Augen.
Dekontrahiere die Adduktoren oberhalb und unterhalb des schmerzenden Knies. Führe dafür das Bein gegen den Widerstand eines Gymnastikbands nach außen. Bewege es anschließend langsam und gebremst wieder zurück.
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