Marco Koch, in drei Monaten beginnen in Tokio deine dritten Olympischen Spiele. Wie zufrieden bist du mit deinen Wettkampfergebnissen in diesem Jahr? Ich bin gut ins Jahr gestartet. Einige Wettkämpfe liefen super, bei manchen war es schwieriger, weil ich doch sehr müde vom harten Training war. Aber die Trainingsleistungen passen, deshalb bin ich grundsätzlich sehr zufrieden.
Deine schnellste Zeit bist du im Januar in Antwerpen mit 2:09,34 Minuten geschwommen. Damit stehst du in der Weltjahresbestenliste derzeit auf Platz 14. Ganz vorn sind drei Japaner, die schon 2:06 und 2:07 Minuten geschwommen sind. Wie nervös machen dich solche Zeiten? Für mich sind noch keine Zeiten dabei, die aus dem Rahmen fallen würden. Es sind jetzt deutlich mehr Schwimmer in diesem Bereich unterwegs, aber das ist im Olympiajahr immer so. Ich erinnere mich an 2011. Da war man ganz weit vorn bei der WM, wenn man unter 2:10 Minuten geblieben ist. Ein Jahr später in London schwamm auf einmal gefühlt jeder 2:09 Minuten.
Die zwei bis drei Sekunden kannst du zum Sommer noch aufholen? Ich bin noch kein richtiges 200-Meter-Rennen geschwommen, wenn man das so sagen kann. Ich konzentriere mich auf Teilaspekte wie die ersten 100 Meter oder die zweite Rennhälfte, die meine Stärke ist. Die Endzeit ist mir im Moment noch nicht wichtig und in Antwerpen bin ich voll aus dem Training geschwommen. Ich bin guter Dinge, was meinen Formaufbau betrifft.
Den Weltrekord hält Anton Chupkov in 2:06,12 Minuten. Wird der Olympiasieger schneller als diese Zeit schwimmen müssen? Ich denke, dass es in diesen Bereich gehen wird. Aber ich hätte schon 2016 darauf gewettet, dass man Weltrekord schwimmen muss. Und dann wurde es ein ziemlich langsames Rennen. Warum das so kam, weiß ich auch nicht, obwohl ich selbst dabei war. Olympia ist einfach etwas anderes. Da muss man im Vorlauf schnell sein und ein super Halbfinale schwimmen, um überhaupt ins Finale zu kommen. Drei richtig gute Rennen zu schwimmen, ist sehr schwierig.
Schwimmen war schon als Kind das einzige, das ich dauerhaft gemacht habe. Ich schwimme seit 1998 und neun von zehn Einheiten in der Woche machen mir immer noch Spaß.
Marco Koch
Vor Rio wurde viel die über Wettkampfzeiten geredet (Vorläufe mittags, Endläufe bis nach Mitternacht). In Tokio werden die Vorläufe abends ausgetragen und die Halbfinals und Endläufe finden vormittags statt. Bereitest du dich darauf speziell vor? Ich mache Frühtraining und muss nicht viel umstellen. In Rio waren die Finals sehr spät, weshalb wir einige Einheiten auch erst spät absolviert haben, um uns daran zu gewöhnen. Jetzt werden wir einfach harte Belastungen öfters in den Vormittag schieben. Um die Doppelbelastung zu simulieren, werden wir auch mal abends hart trainieren und dann gleich wieder am nächsten Morgen.
Wenn ich anschlage und mir sagen kann, ich habe alles rausgeholt und keine groben Fehler gemacht, dann bin ich zufrieden, egal welche Platzierung es dann ist.
Marco Koch
Woran merkst du, ob es heute bei dir läuft oder nicht? Meistens merke ich das am Gefühl im Wasser beim Einschwimmen. Dann kann man auch noch etwas gegensteuern, indem man zum Beispiel kleine Belastungen einbaut. Dadurch wacht der Körper richtig auf.
Wann bewertest du Tokio als Erfolg für dich? Wenn ich ein Rennen mache, bei dem für mich alles gepasst hat. Bei dem ich keinen schlechten Start habe, keine Wende verbummele, nicht an die Wand gleiten muss, nicht disqualifiziert werde, weil ich mit einer Hand anschlage, oder bei dem ich meine Wettkampfhose vergesse und in Trainingshose schwimmen muss. Wenn ich anschlage und mir sagen kann, ich habe alles rausgeholt und keine groben Fehler gemacht, dann bin ich zufrieden, egal welche Platzierung es dann ist.
Auch wenn du dann in einem Halbfinale ausscheiden solltest? Traurig wäre ich natürlich, aber das ist ja nichts, was ich beeinflussen kann, weil es an den Leistungen der anderen liegt. Ich kann nur das Beste aus mir herausholen, wenn dann sieben oder acht andere schneller sind oder es nicht für eine Medaille reicht, dann ist das eben so. Damit muss man als Sportler klarkommen.
Auf Social Media sieht man dich in letzter Zeit häufiger auf dem Fahrrad sitzen. Bastelst du an einer zweiten Karriere als Triathlet? Da ist ja noch so eine dritte Disziplin dabei: das Laufen… Aber generell wäre Triathlon etwas, das mich interessieren würde. Wir haben letztes Jahr coronabedingt festgestellt, dass mir Radfahren guttut und ich damit das Volumen im Wasser reduzieren kann. Als Schwimmer ist es ja so: Je mehr ich im Wasser trainiere, desto träger und langsamer werde ich spezifisch gesehen auf das Brustschwimmen. Wenn ich dann in der Ausdauerphase statt sechs Kilometer nur 5,5 oder 5,2 schwimmen muss und dafür zwei oder dreimal in der Woche Fahrrad fahre, macht mich das weniger müde.
Der Triathlet und Hawaii-Sieger Sebastian Kienle hat dich über 50 Meter herausgefordert. Das stimmt. Das Rennen ging ganz klar an mich.
Erzähl! Er kam auf Fuerteventura zu mir und sagte: „Morgen schwimmen wir 50 Meter gegeneinander.“ Ich sollte Brust schwimmen und er Kraul. Ich habe ihm noch vorgeschlagen, dass wir beide auf den Startsprung verzichten, denn die Starts sind ja nicht gerade eine Stärke von Triathleten. Aber er wollte es richtig machen. Das war eine coole Aktion und er ist ein cooler Typ. Ich habe dann noch ein wenig Techniktraining mit ihm gemacht.
Vor 14 Jahren bist du das erste Mal deutscher Meister geworden. Natürlich über 200 Meter Brust. Was begeistert dich nach so langer Zeit noch immer an diesem Sport? Schwimmen war schon als Kind das einzige, das ich dauerhaft gemacht habe. An neuen Spielsachen und sowas habe ich immer schnell das Interesse verloren. Schwimmen war die Konstante. Ich schwimme seit 1998 und neun von zehn Einheiten in der Woche machen mir immer noch Spaß.
Helfen Events wie die International Swimming League, um die Motivation zu behalten? Es hat letztes Jahr gutgetan, bei der ISL so viele Wettkämpfe in sicherer Umgebung zu schwimmen. Ansonsten ging ja seit Februar fast nichts mehr. Fünf Wochen in Budapest eingesperrt zu sein, war zwar mental anstrengend. Aber es hat riesig Spaß gemacht und ich will nicht ausschließen, dass ich dieses Jahr wieder dabei bin. Das ist wie die Deutschen Mannschaftsmeisterschaften nur in groß.
Haben Sie sich an Wettkämpfe in leeren Hallen mittlerweile gewöhnt? Ich hatte Rennen mit nur drei oder vier Schwimmern im Wasser, bei denen keiner angefeuert hat. Da war de Atmosphäre wie Zuhause in Frankfurt beim Training. Zu den großen Wettkämpfen fährt man aber schon mit einer ganz anderen Einstellung hin. Da macht das mental nicht so viel aus.
Kurzfragen
Trainierst du lieber morgens oder abends? Abends.
Welche Sportarten würdest du in Tokio gern sehen? Triathlon (ich bin ja jetzt in der Szene), Leichtathletik, vor allem die Kurzstrecken 100, 200 und 400 Meter, und Tennis.
Gibt es eine/n Sportler/in, den oder die du gern im Olympischen Dorf treffen würdest? 2016 habe ich beim Mittagessen ein Foto mit Novak Djokovic gemacht. Mit dem würde ich mich gern länger unterhalten.
Was ist deine früheste Olympiaerinnerung? Das waren die 200 Meter Brust in Athen, als der 15-jährige kleine Daniel Gyurta Silber geholt hat. Das hat mich beeindruckt.
Hast du ein Ritual? Nichts, was ich immer gleich mache. Aber ich habe meine Routinen, wann ich einschwimme und was ich dabei mache.
Gehst du mit oder ohne Musik zum Start? Ohne.
Dein erster Verein. VfL Michelstadt
Marco Koch, vielen Dank für das Gespräch.