Mittwoch, 25. Dezember 2024

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ | Freibadloser Sommer?

Das Mineralfreibad in Backnang bei Stuttgart liegt idyllisch im Murrtal und ist bei gutem Wetter ein wahrer Publikumsmagnet. Eigentlich würde der Betrieb am 1. Mai beginnen. Eigentlich. Laut Corona-Verordnung der Landesregierung müssen alle Bäder aber bis vorerst 3. Mai geschlossen blieben. Der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper sagt auf telefonische Anfrage: „Beobachter der Bäderszene befürchten allerdings, dass bis Juli/August kein Badebetrieb möglich sein wird.“ Und wenn das zutreffen sollte, dann, so der Rathauschef, der im November bei der OB-Wahl in Stuttgart als CDU-Kandidat ins Rennen geht, „dürfte eine Öffnung für die dann noch verbleibende stark reduzierte Freibadsaison unter wirtschaftlichen Aspekten nicht mehr sinnvoll sein“. Es spreche derzeit „leider einiges dafür, dass wir einen freibadlosen Sommer vor uns haben“.

Eine ganze Saison ohne Freibäder? Noppers OB-Kollege Hartmut Holzwarth aus Winnenden sagt mit Blick auf das im Großraum Stuttgart bei vielen Sportschwimmern beliebte, weil ganzjährig geöffnete Wunnebad: Ein Anhaltspunkt für eine mögliche Öffnung von Freibädern seien „allenfalls“ die Vorsichtsmaßnahmen, die für die Lockerungen im Spitzensport gelten. „Darin sind strenge Vorsichtsmaßnahmen enthalten, die aber für einen allgemeinen Freibadbetrieb außerhalb des Sportschwimmens eher untauglich sind“. Den Freibadbetreibern seien keine Bedingungen bekannt, „die einerseits infektionsschützend und andererseits praktikabel“ sind. „Wir benötigen dazu wie alle Bäderbetreiber baldmöglichst Vorgaben.“

Wunnebad Winnenden
Martin Tschepe Dieses Jahr nur ein Traum? Das Wunnebad im Abendlicht.

Besucherzahlen begrenzen

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB), Christian Ochsenbauer. „Ich persönlich bin mittlerweile schon ziemlich skeptisch, was die Freibadsaison angeht.“ Man habe die Regierungschefs darauf hingewiesen, dass die Freibadsaison spätestens mit dem Beginn der Sommerferien starten müsse, damit das überhaupt noch irgend einen Sinn für Betreiber und Badegäste mache. Die DGfdB fordert für die Freibäder „Richtungsentscheidungen“ und „eine klare Ansage der Politik spätestens zum 6. Mai“. Entweder werde ein „konkretes sinnvolles Datum“ für die Eröffnung der Freibadesaison genannt, oder es werde analog zu der Entscheidung hinsichtlich der Großveranstaltungen gesagt, dass dieses Jahr die Freibadsaison ausfallen solle – bundesweit oder auch nur in einzelnen Bundesländern. „Wenn die Unsicherheit nicht bald ein Ende hat, werden sich in den nächsten Wochen mehr und mehr Kommunen unabhängig von der Bundes- und Landespolitik dafür entscheiden, die Freibadsaison im Jahr 2020 ausfallen zu lassen.“

Allerorten machen sich auch die Schwimmer Gedanken über ihre Freibadsaison. Auf der Facebook-Seite „Bist Du heute schon geschwommen?“ zum Beispiel wird rege und kontrovers diskutiert. Manche sprechen von einem Trauerspiel – und befürchten, dass die Corona-Krise eine „willkommene Entschuldigung“ sein könnte, die verlustreichen Bäder geschlossen zu halten, obwohl mit Nutzungskonzepten sicher das ein oder andere Bad öffnen könnte: Kein Spaßbetrieb sondern nur ein Sportbetrieb, schlägt ein Schwimmer vor. Das hieße aber: viel wenig Besucher, noch weniger Einnahmen, noch höhere Verluste für die Kommunen. Ein Freibad sei keine Großveranstaltung, man könne den Zugang regeln, heißt es in einem Post. Vorgeschlagen werden Zeittakte, nur wenige Personen in den Duschen, Bahnen ableinen, nur Kraul schwimmen in beide Richtungen gestatten und echte Schnellschwimmbahnen ausweisen. „Es geht, wenn man will“, schreibt ein Schwimmer.

Längere Saison bis Oktober?

Ein Schwimmmeister aus einem Freibad in der Region Stuttgart, der namentlich nicht genannt werden will, sagt, er bleibe zuversichtlich und hoffe, dass die Sommersaison nicht komplett ins Wasser fällt. Falls die Freibäder später öffnen sollten als sonst, dann könnten die Saison ja bis Oktober gehen. Er schlägt vor, die Liegeflächen zu schließen und eine Besucherhöchstgrenze zu setzen. Abstandhalten beim Schwimmen „halte ich für Schwachsinn“, sagt er, denn es sei sehr unwahrscheinlich, dass man sich im gechlorten Wasser infiziere. „Ich sehe bei der Schwimmbadöffnung den Sport im Vordergrund“, den Sport und die psychische sowie die physische Gesundheit der Menschen.

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Martin Tschepe
Martin Tschepehttp://www.bahn9.de/
Martin Tschepe ist freier Autor, Swimguide, Freiwasser- und Eisschwimmer des SV Ludwigsburg.

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