Die Deutschen Meisterschaften im Eisschwimmen werden an diesem Wochenende in einem kleinen See im Erzgebirge ausgetragen – unser Reporter ist dabei, auch bei den aufwendigen Vorbereitungen.
Knapp eine Woche vor den Deutschen Meisterschaften im Eisschwimmen, den Zollhaus Open, Samstagabend. Es ist bitterkalt. Für die kommenden Nächte sind im Erzgebirge minus 24 Grad angesagt. Und auch tagsüber soll es kaum „wärmer“ werden als minus zehn. Der kleine See in der Nähe der Gemeinde Hermsdorf an der Grenze zu Tschechien, in dem die Wettkämpfe am 22. Februar ausgetragen werden, ist mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Schwimmen? Ist hier völlig unmöglich. Gerrit Curcio und sein Sohn Aron haben am Ufer ein etwa dreimal ein Meter großes Loch ins Eis gehackt. Zum Eisbaden, immerhin. Die Curcios stammen aus Sizilien, die Familie betreibt in Süditalien ein Hotel – und seit rund 15 Jahren zusätzlich das Landhotel Altes Zollhaus in Hermsdorf. Was für ein Kontrastprogramm! Glühende Hitze und Eiseskälte.
Schweiß im Eis
Die Zollhaus Open stehen und fallen mit Gerrit und Aron Curcio sowie mit einem kleinen Team von Helfern, die mit anpacken an den Tagen vor den German Championships. Ich bin auch dabei, beim Eishacken, bis zum 21. Februar und dann am 22. beim Eisschwimmen.
Die Tage vor den Meisterschaften sind schweißtreibend, obwohl es draußen eiskalt ist. Vormittags und nachmittags hacken wir mit allen möglichen und unmöglichen Gerätschaften den See auf, wir balancieren auf einem Floß, versuchen bloß nicht reinzufallen in das Eiswasser, das kaum mehr als null Grad haben dürfte. Wir schaffen es, den allergrößten Teil des Eispanzers zu knacken, holen mit ein paar waghalsigen Aktionen vom Ufer und vom Floß aus viele Eisschollen aus dem See.
Die Zollhaus Open beginnen am Samstag, 22. Februar, um 9 Uhr mit den 1.000 Metern. Insgesamt sind rund 200 Männer, Frauen und Jugendliche am Start, aus Deutschland, Island, Polen, Belgien, Irland, aus der Schweiz, der Slowakei, aus Italien, Ungarn, Norwegen und aus dem Vereinigten Königreich. „Wir waren schnell ausgebucht“, sagt Gerrit Curcio. 360 Starts!
Doch am nächsten Morgen ist die Oberfläche wieder größtenteils zugefroren. Wir posten Fotos von den Eis-Arbeiten – manche Leser bedanken sich, sie wollen am 22. mitschwimmen. Andere indes fragen, ob die Wettkämpfe womöglich ausfallen müssen, wegen der Eisfläche. Nein, die Zollhaus Open, die 2019 erstmals stattgefunden haben, werden nicht ausfallen! Ganz sicher nicht! Nur während der Corona-Pandemie musste pausiert werden, zweimal. Diese Zollhaus Open sind also die fünften.
Bewegung hält den See eisfrei
Zwei Dinge helfen uns: Die Temperaturen sinken seit Mittwoch nicht mehr ganz so extrem – und der Hausmeister des Hotels hat Pumpen im See versenkt, die permanent einen Wasserstrahl auf die Wasseroberfläche werfen. Zunächst zwei Pumpen auf dem Ponton, der bei den Wettkämpfen als Startbrücke dienen wird, später weitere Pumpen auf der anderen Seite der 25-Meter-Bahn. Die permanente Bewegung im See sorgt dafür, dass keine mega dicke Eisschicht mehr entstehen kann. Das tägliche Eishacken ist trotzdem anstrengend. Ich habe seit Tagen Muskelkater – und deshalb mit Blick auf die 1.000 Meter noch mehr Respekt als vor anderen Wettbewerben.
Wie ist Gerrit Curcio nur auf die Idee gekommen, in seinem winzigen See in der tiefsten sächsischen Provinz einen Wettkampf im Eisschwimmen zu veranstalten? An einem unserer Tage auf und neben der Eisfläche erzählt der Mann, Jahrgang 1967: Gerrit ist in Stuttgart und auf Sizilien aufgewachsen, in der Jugend für den SV Canstatt geschwommen, auch in der Bundesligamannschaft des Traditionsvereins. Er hat nie aufgehört, sportlich (und schnell) zu schwimmen.
„Sorry, ich kann nicht.“
Mit Eisschwimmen hatte Gerrit aber nix an der Badekappe, Pardon: am Hut. Dann kam der deutsche Mister Eisschwimmen ins Spiel: Christof Wandratsch. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten. Christof hat Gerrit eines Tages gefragt, ob er denn mal mitschwimmen wolle in einer Eis-Staffel bei den German Open in Veitsbronn. Das war 2018. Gerrit hat nicht sofort zugesagt, sondern zunächst für sich ganz allein einen Eis-Test gemacht, und diesen nach eigenen Worten nicht bestanden. „Ich bin einfach nicht reingekommen in das kalte Wasser“, sagt er und lacht während unseres Eishackens. Der See habe damals etwa acht Grad gehabt, also weit mehr als die beim Eisschwimmen zulässigen 4,9 Grad. Gerrit ruft Christof damals an und sagt: „Sorry, ich kann nicht.“ Und was antwortet der Kumpel: „Jetzt bist Du schon angemeldet.“ Also überwindet sich Gerrit und schwimmt mit in der Staffel.
Donnerstagabend im Erzgebirge: Die fünf 25-Meter-Bahnen im See sind das erste Mal weitgehend eisfrei. Wir haben die vielen Eisschollen, die nach einem Tag des Hackens im See trieben, mithilfe einer Wettkampfleine zur Startbrücke gezogen und dann mit Rechen aus dem Wasser geholt. Dann mache ich den Eis-Test: rein jetzt! Das Wasser im See ist mega kalt. Schnell schwimmen ist noch nicht zu empfehlen, denn ein paar Eisschollen treiben nach wie vor im See. Wer dagegen stößt, riskiert böse Verletzungen. Jetzt am Freitag bleibt also noch immer einiges zu tun, damit die fünften Zollhaus Open am Samstagmorgen gestartet werden können.