„Rekorde sind da, um gebrochen zu werden“, heißt es von Topathleten wie Michael Schumacher oder Mark Spitz. Mehr als 100 Jahre Rekorde im Schwimmsport haben gezeigt: Es geht immer noch ein bisschen schneller.
Leider ist nicht überliefert, ob Martha Gerstung bewusst war, welche historische Leistung sie am 8. Oktober 1908 erzielte. Jedenfalls schwamm die Magdeburgerin an diesem Tag vor fast 116 Jahren in ihrer Heimatstadt 100 Meter Freistil in hervorragenden 1:35,0 Minuten. Es war drei Monate nach Gründung des Weltschwimmverbands FINA (Fédération Internationale de Natation, heute World Aquatics) der erste offizielle Frauen-Weltrekord im Schwimmen. Denn während die Funktionäre für die ersten Männer-Weltrekorde über 100 und 200 Meter Freistil einfach in die Vergangenheit schauen konnten, fing bei den Schwimmerinnen, die erst vier Jahre später in Stockholm ihre Premiere bei den Olympischen Spielen feiern durften, 1908 alles bei null an. Für Martha Gerstung bot sich dadurch die einmalige Gelegenheit, sich in die Schwimmgeschichtsbücher zu schreiben. Und die nutzte sie. Bis heute kommen Berichte und Artikel wie dieser, die sich mit der Weltrekord-Historie beschäftigen, kaum ohne die Magdeburgerin aus. Leider ist über sie bis auf ihre Rekordzeit fast nichts bekannt.
Getrennte Bahnen seit 1924
Bezogen auf die Weltrekorde, kann man sich leicht vorstellen, wie chaotisch es in der Anfangszeit des organisierten Schwimmsports zugegangen sein muss. Anders als heute, wo jede geschwommene Zeit von Vereinen und Verbänden penibel registriert wird, ist es gut möglich, dass damals die eine oder andere Bestleistung einfach unter den Tisch fiel, entweder, weil sie niemand bemerkte, oder weil die Rahmenbedingungen nicht zu vergleichen waren. Zu Erinnerung: Erst 1924 wurde der geleinte 50-Meter-Pool bei Olympia zum Standard. Zuvor wurde fast ausschließlich in Freigewässern geschwommen, etwa 1896 im Mittelmeer vor Athen, 1900 in der Pariser Seine und 1904 in einem künstlichen See in St. Louis (wobei die Strecken das erste und einzige Mal in Yards gemessen wurden). 1908 bauten die Organisatoren in London sogar einen 100-Meter-Pool ins Leichtathletikstadion, bevor 1912 noch einmal draußen im Hafenbecken von Stockholm geschwommen wurde.