Immer weniger Kinder in Deutschland lernen schwimmen. Deutschlandweit beklagen viele Schulen und Vereine, dass Bäder geschlossen werden. Nach Einschätzung der DLRG können nur noch rund die Hälfte aller Schüler richtig schwimmen. Deutschland sei auf dem Weg, ein Nichtschwimmer-Land zu werden. Das war früher anders. In der 1960er- und 1970er-Jahren haben selbst kleine Kommunen Schwimmbäder gebaut. Heute entstehen – wenn überhaupt – fast ausnahmslos sogenannte Spaßbäder, mit tollen Rutschen, aber oft nur knietiefem Wasser. In diesen Wellnessoasen kann und will kaum jemand schwimmen (lernen).
Das schwäbische Ludwigsburg ist eine der wenigen Ausnahmen. Es ist kaum zu glauben. Aber es ist wahr. Wer in der 92.000-Einwohner-Stadt im Stuttgarter Speckgürtel oder in der näheren Umgebung der stolzen Barockstadt wohnt, der kann ab sofort jeden Tag sportlich schwimmen, seine Bahnen ziehen, ohne dass ihm Badegäste in die Quere kommen. Die Stadtwerke haben das neue Bad auch gebaut, um das alte Stadionbad zu entlasten, in dem man nur selten sportlich schwimmen kann. Wer das breit gefächerte Angebot im nagelneuen Campusbad nutzen will, muss allerdings Schüler sein – oder Mitglied im Schwimmverein Ludwigsburg. Für die Öffentlichkeit ist das schicke neue Bad mit einem 25-Meter-Wettkampfbecken und einem Nichtschwimmerpool nämlich tabu.
Für die Öffentlichkeit tabu
Der Club hat für seine Mitglieder attraktive Wasserzeiten vereinbart. Mit der Stadt wurde ausgehandelt, dass der Verein das mitten in der Innenstadt direkt beim Bahnhof gelegene Campusbad von Montag bis Freitag jeden Morgen nutzen darf sowie zusätzlich samstags und sonntags von früh bis spät. Außerdem gibt es unter der Woche nachmittags und an den Abenden jeden Menge weitere Schwimmzeiten für die Abteilungen des Vereins. Auch ein paar andere Clubs in der Stadt haben Wasserzeiten gebucht, etwa die DLRG. Das mit der Stadt erzielte Gesamtpaket dürfte für Wasserratten attraktiv sein. Der SV Ludwigsburg setzt deshalb darauf, dass er künftig zusätzliche Mitglieder gewinnt, auch solche, die keinen Wettkampfsport betreiben wollen, wohl aber regelmäßig ohne Gegenverkehr schwimmen möchten.
Der Schwimmverein hat während seiner Wasserzeiten die Schlüsselgewalt in dem Neubau, der gut sieben Millionen Euro gekostet hat. Der Club stellt das Personal am Beckenrand. Ludwigsburg wird zum Schwimm-Dorado – längst nicht nur für Leistungssportler. Aus der Perspektive der DLRG dürfte das Ludwigsburger Modell eins sein, das Schule machen sollte – landauf, landab.
Autor Martin Tschepe ist Redakteur der Stuttgarter Zeitung und seit 1974 Mitglied des SV Ludwigsburg.