Wer sind hier eigentlich die Stars? Darüber kann man trefflich streiten. Sind es die Meisterschwimmer, die im knapp vier Grad kalten Wasser im Veitsbad im fränkischen Veitsbronn bei Nürnberg 1.000 Meter in 12:38 Minuten kraulen – wie Fergie Hesterman aus den Niederlanden und Hanna Bakuniak aus Polen, die 13:05 Minuten benötigt? Die beiden haben bei den 4. Ice Swimming Aqua Sphere German Open am ersten Januarwochenende die Langstrecke gewonnen.
Oder sind die wahren Stars die Hobbyschwimmer, die für den Kilometer gut doppelt so lange im eiskalten Wasser aushalten? Frauen wie Cilem Flad aus Ludwigsburg. Für viele Zuschauer sind ganz offenkundig alle rund 200 Starter, die sich ohne schützenden Neoprenanzug ins Eiswasser wagen, Helden, vielleicht ein klein bisschen verrückte Helden. Jeder bekommt ordentlich Beifall in Veitsbronn, die schnellen und die gemütlichen Schwimmer, jene, die den Kilometer hinunterspulen wie nichts und jene, die sich „nur“ 50 Meter zutrauen. Die Novizen, die diesmal 50 Meter schwimmen, sind oft die künftigen Langstrecken-Eischwimmer. Das lehrt die Erfahrung der vergangenen Jahre.
Neue Meister auf der Königsdistanz
Freitagabend, die Meisterschaften sind längst feierlich mit dem Einmarsch der Nationen ins Bad eröffnet worden. Die großen und die heimlichen Helden haben ihre 1.000 Meter geschafft. Kaum einer hat aufgegeben. Und zwei Meister sind entthront worden: Vor einem Jahr hatten Petar Stoychev aus Bulgarien und Julia Wittig aus Burghausen den Kilometer für sich entscheiden können, beide wurden jetzt von deutlich jüngeren Konkurrenten geschlagen. Hesterman und Bakuniak – beide Altersklasse 20 – sind die neuen Meister über die Königs- beziehungsweise Königinnendistanz.
Die älteren Semester hatten das Nachsehen. Allmählich passiert, was manche Kenner der Szene seit einiger Zeit prophezeien: Wenn mehr und mehr junge Athleten das Eisschwimmen entdecken, dann werden die Senioren, die die Sportart überraschend lange dominiert haben, Probleme bekommen. Jetzt hat die Jugend eiskalt zugelangt. Auch über die kürzeren Distanzen haben viele jüngere Schwimmer in Veitsbronn gezeigt, was sie drauf haben. Zum Beispiel Tobias Wybierek aus Burghausen, der die 50 Meter Ice-Freistil in 26,39 Sekunden geschwommen ist.
Beim „Wandi“ zu Hause
Ein Altmeister indes gibt sich noch lange nicht geschlagen: Christof Wandratsch. Der deutsche Mister Eisschwimmen hat die 200 Meter Freistil gewonnen. Ohne den Wandi wäre das Eisschwimmen in Deutschland kaum bekannt. Der Mann, Jahrgang 1966; etwa doppelt so alt wie Hesterman, hat die German Open zusammen mit einem kleine Veranstalterteam 2015 erstmals organisiert. Bis dato waren die Eismeisterschaften immer im Wöhrsee in Burghausen ausgetragen worden. Dann haben sich die Veranstalter zerstritten. Über Details wollen sie lieber nicht sprechen.
Schnell war indes klar: ohne den Wandi gehen die Wettkämpfe diesmal nicht in Burghausen über die Bühne. Wandratsch, sein Mitstreiter Oliver Halder und ein paar andere Helfer haben dann das Veitsbad aus dem Hut gezaubert, jenes Bad, in dem der kleine Christof 1970 einst das Schwimmen gelernt hat. Im Garten seiner Mutter in Veitsbronn erinnert ein alter Startblock (der mit der Nummer 1) aus dem Veitsbad an die ungezählten Minuten, Stunden, ja womöglich Tage, die der Wandi einst am Beckenrand verbracht hat. Weil ihm, wie er heute feixend erzählt, früher das (geheizte) Wasser im Pool zu kalt gewesen sei. Ein Warmduscher war er mal, der Herr Wandratsch. Lange her.
Nächstes Jahr bitte mit Schnee
Ein Umzug von Burghausen nach Veitsbronn also: nicht alle Schwimmer waren zunächst hellauf begeisterten von dieser Idee. Gekommen sind sie dann doch fast alle, und ein paar Ersttäter noch dazu. Die 50-Meter-Bahn im Veitsbad hat die meisten Schwimmer überzeugt. Der coole Blick vom 25-Meter-Becken mitten im Wöhrsee hinauf zur längsten Burg der Welt in Burghausen wurde trotzdem vermisst. Das haben fast alle Schwimmer gesagt, die mindestens einmal in Burghausen dabei gewesen sind. Und diesmal war es halt auch nicht so bitterkalt wie 2017 in Burghausen, der Schnee hat gefehlt. Und Schnee gehört halt eigentlich zum Ambiente des Eisschwimmens.
Bei der Abschlussveranstaltung in Veitsbronn haben Vertreter der Gemeinde und der Veranstalter erklärt, dass die 5. German Open Anfang Januar 2019 wieder in dem fränkischen Ort stattfinden sollen. Im neuen deutschen Mekka der Eisschwimmer.