Haffkrug in der Lübecker Bucht weiht eine neue Seebrücke ein und feiert das mit dem wohl ersten Lampionschwimmen in der Ostsee. Wir waren dabei.
Man kann nicht behaupten, dass wir nicht gewarnt wurden. „Heute sind Feuerquallen in der Ostsee, aber die Leute von der DLRG sagen: Alles okay!“, heißt es noch kurz vor dem Start. Na ja, denke ich, wird schon gut gehen, aber natürlich erwischt mich auf den letzten Metern doch noch so ein verflixtes Teil. Bis zum Strand sind es nur drei oder vier Züge, und zuerst merke ich gar nichts. Doch dann brennt es plötzlich heftig im Gesicht. Und es juckt um den Mund und an der Nase. Schnell kraule ich an Land, wo mir (und anderen) ein Rettungsschwimmer Rasierschaum ins Gesicht schmiert. Damit lassen sich die noch nicht aktivierten Nesseln abschaben, lerne ich. Es würde dadurch zwar nicht besser, aber auch nicht mehr schlimmer. Jetzt kann ich sagen: Der Mann hatte recht. Zum Glück.
Aber der Reihe nach. Der kleine Ort Haffkrug in der Lübecker Bucht hat am Wochenende seine neue, zweistöckige Seebrücke eingeweiht und das mit einem abendlichen Lampionschwimmen gefeiert – mutmaßlich dem Ersten in der Ostsee. Und so versammeln wir uns mit rund 100 anderen Unerschrockenen am dunklen Strand, um gemeinsam die neue Brücke zu umschwimmen. Wir, das sind meine zwölfjährige Tochter, ich und drei Schwimmfreunde aus Hamburg, die sich weder vom kalten Wasser noch von der Dunkelheit abschrecken lassen. Mit unserer Kleiderwahl, zweimal Shorty, dreimal Vollneo, sind wir gut dabei. Bei frischen 14 Grad Wassertemperatur traut sich nur eine Handvoll Hartgesottener allein mit Badehose oder Badeanzug in die Ostsee.
Im Dunkeln kann es losgehen
Um 19:45 Uhr ist die Seebrücke gesäumt von Zuschauern und das Spektakel beginnt. Unter lautem Beifall knipsen wir die Lichter an unseren Schwimmbojen an und dann geht es auch schon ins Wasser. Der Kurs ist einfach. Jeder schwimmt, so schnell er will, um die 200 Meter lange, mit vielen Lichtern geschmückte Seebrücke herum und zurück zum Strand. Wer dann noch mag, nimmt denselben Weg wieder zurück. Für Sicherheit in der Dunkelheit sorgen Rettungsschwimmer der DLRG. Außerdem hat der Veranstalter jeden mit einer gelben Schwimmboje ausgerüstet.
Sterne durch die dunkle Brille
Die ersten Meter sind flach, doch schnell wird es tiefer und das kalte Wasser kriecht von unten in die Neos. Langsam setzt sich das Schwimm-Pulk in Bewegung. Vorn preschen die schnellen Krauler davon, meine Tochter und ich bleiben zusammen, schwimmen Brust und können die Menschen auf der Seebrücke gut erkennen. Sie winken uns zu und wir winken zurück, und als wir nach einigen Minuten die Spitze erreichen, ist das Wasser auch nicht mehr so kalt. Gemütlich schwimmen wir jetzt nebeneinander mit Brust und Kraul zum Strand zurück, wo eine Feuerschale im Sand den Wendepunkt markiert. Hier könnten wir aussteigen, aber das kommt für uns gar nicht infrage. Wir schwimmen natürlich zurück! Wann bekommt man schon mal so eine Gelegenheit?
Erneut umrunden wir also die Seebrücken-Spitze und jetzt malen wir uns aus, wie all die schwimmenden Lampions im Wasser wohl von oben aussehen mögen. Meine junge Begleitung findet das richtige Bild: Oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir, sagt sie und hat damit natürlich völlig recht. Ich drehe mich auf den Rücken und sehe selbst mit meinen schlechten Augen und durch die eigentlich viel zu dunkle Schwimmbrille tausende Sterne über mir am Himmel. Hoffentlich, sagen wir, ist es für die Zuschauer am Strand und auf der Seebrücke genauso schön wie für uns im Wasser.
Nächstes Jahr wieder?
Seite an Seite geht es auf den letzten Abschnitt. Wir tauchen noch etwas in der Dunkelheit und genießen den tollen Blick von unten auf unsere leuchtenden Bojen. Als wir am Strand ankommen, ist es jetzt doch ziemlich kalt. Schnell wechseln wir in trockene Klamotten und fragen die anderen, wie es war. Das Urteil ist eindeutig: Alle Daumen gehen hoch. Aus Sportlersicht war das erste Lampionschwimmen in der Ostsee ein voller Erfolg, und auch die Veranstalter um Martin Lenz, dem Mann hinter den SWIM100x100, sind happy. Sie wollen das Event am liebsten nächstes Jahr wiederholen. Wenn es klappt, sind wir wieder dabei. An ein solches Saisonabschlussschwimmen könnte ich mich gewöhnen.
Und die Feuerqualle? Mit der, oder besser, mit deren Tentakeln und Nesseln darf ich mich am Abend noch herumärgern. Die betroffenen Stellen im Gesicht brennen und fühlen sich manchmal taub an. Zum Glück ist am nächsten Morgen alles vorbei und vom Gift nichts mehr zu spüren. Die Ostsee ist halt nicht die Südsee und eine deutsche Qualle keine Portugiesische Galeere.