Samstag, 5. Oktober 2024

Was tun, wenn es nicht mehr vorwärts geht?

Stagnation – hinter diesem Wort verstecken sich gar nicht selten die Emotionen Verzweiflung, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und bisweilen sogar Wut. Vor allem kennt man diese Gefühlsausbrüche aus dem Sport. Nämlich dann, wenn man trainiert und trainiert und sich die erhoffte Leistungssteigerung einfach nicht einstellen will. Im schlimmsten Fall fällt die Leistung sogar ab. Ein echtes Horrorszenario! Tritt dieser Fall in leichter und gemäßigter oder sogar in radikaler Form ein, dann ist es an der Zeit, eine Bestandsaufnahme durchzuführen und dem Übel auf den Grund zu gehen. Denn die Ursachen können so vielfältig sein, wie der Mensch nun mal ist.

Hintergründe der Stagnation

Analysiert man zunächst die individuellen Parameter wie Alter und Geschlecht und gleicht diese mit Trainingsumfängen und Intensitäten ab, erwirbt man sich bereits gutes Basiswissen, um die Hintergründe der Leistungsstagnation zu ergründen. Weitere Umstände wie die Ansprüche des sozialen Umfelds, die Verpflichtungen außerhalb des Sports oder einfach auch alltägliche Sorgen oder Ängste beeinflussen die Leistungsfähigkeit entscheidend und gehören in eine sorgfältige Analyse einbezogen. Das persönliche Lebensmanagement und die Pflege von Körper und Geist spielen ebenfalls eine große Rolle und können die Triebfeder und die Motivation für die Leistung stark beeinflussen – positiv wie negativ.

Befindet man sich schon eine ganze Weile, das heißt Wochen oder Monate, in der sportlichen Sackgasse, ist die Gefahr immens, dass sich die Resignation verfestigt. Dann wird aus einem „ich schaffe das schon irgendwie“ bald ein „ich habe doch gewusst, dass es wieder nicht klappt“. In der Psychologie spricht man von der selbst erfüllenden Prophezeiung. Im Klartext gesprochen heißt das, man ist dann bereits auf Misserfolg programmiert. Dann herrscht dringender Handlungsbedarf und die Zuhilfenahme eines Experten.

Körperliches Selbstmanagement

Die Selbstprogrammierung beginnt schneller als man das gemeinhin glaubt. Da genügen einige weniger gute Ergebnisse, eine Verletzung oder einfach mal Pech zum falschen Zeitpunkt, um die Gedankengänge auf Low Performance zu programmieren. Besonders im Masterssport, wenn man erstmalig mit der sinkenden Leistungsfähigkeit konfrontiert wird, benötigt man dringend eine funktionierende Strategie. Zwar kann man die individuellen Bedürfnisse nicht pauschalisieren, einige generelle Tipps können aber dennoch helfen, das körperliche wie geistige Selbstmanagement wieder in den Griff zu bekommen.

Sieht man sich die klassischen Modelle des Übertrainings an, so gibt es im Kern zwei Arten der Überbeanspruchung. Das sportliche Übertraining wird unterschieden in sympathikoides und parasympathikoides Übertraining. Sympathikoides, das heißt den Sympathikus des Nervensystems betreffendes Übertraining ist eher temporär und gekennzeichnet durch erhöhte Herzfrequenz, Schlafstörungen und organbezogene Beschwerden. In diesem Falle geht der therapeutische Ansatz über gezielte Maßnahmen zur Erholung und Entspannung des Sportlers, um die beschriebenen Symptome zu lindern.

Ziellosigkeit und Zweifel

Parasympathikoides Übertraining ist tendenziell eher chronisch und durch depressive Anteile gekennzeichnet. Hier empfindet der Sportler Lustlosigkeit, Ziellosigkeit und das Zweifeln am Sinn der Aufgabe oder gesetzten Ziele. Letztere sind aufgrund ihrer Symptomarmut schwerer zu diagnostizieren und rühren tendenziell eher aus dem Bereich der Überforderung her. Abwechslung und das systematische „Entfernen“ von der speziellen Aufgabe, beispielsweise mittels alternativer Sportarten oder einer kurzen Auszeit, kann hier Abhilfe schaffen.

Im Kern einer Analyse verbirgt sich häufig das Prinzip der Routine und die damit verbundene Gefahr, Dinge so zu tun, wie man sie schon immer gemacht hat. Genau dann reagieren die biologischen Systeme mit einer Form der Stagnation, weil sie sich nicht mehr ausreichend gefordert fühlen. Im Sport hilft es deshalb, den eigenen Routinen regelmäßig kritisch zu begegnen und sie zu hinterfragen. Schnell erkennt man vielleicht, dass man gerne altbewährte Trainingsformen oder Wettkampfeinsätze verfolgt, die in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben. Doch leider gibt es diese Garantie nicht auf Dauer. In der Variation liegt die Chance! Wer erfolgreich sein möchte, der kommt also nicht umhin, sein Trainingsregime immer wieder mit neuen Impulsen zu versehen.

Nächster Leistungssprung?

Rein leistungsphysiologisch betrachtet und in der Vergangenheit häufiger beobachtet, ist die Erscheinung, dass sich hinter einer Leistungsstagnation möglicherweise auch strukturelle Umbauprozesse im Organismus verbergen. Im Prinzip handelt es sich dabei um die Vorbereitung auf den nächsten Leistungssprung. Versuchen Sie, in solchen Phasen entspannt und zuversichtlich zu bleiben. Selten hat die sprichwörtliche Brechstange geholfen, um sich aus diesem Korsett zu befreien. Widmen Sie sich auch mal alternativen Trainingsmethoden oder verwandten Sportarten, um neue Impulse für sich zu erzeugen. Plötzlich, wenn Sie die Zügel etwas lockerer anlegen, könnte aus dem temporären Plateau Ihrer Leistungsfähigkeit ein Sprungbrett werden, das Sie zu neuen Höhenflügen ansetzen lässt.

Holger Lüning (50) ist Sportwissenschaftler und Schwimmtrainer mit über 25 Jahren Erfahrung im Hochleistungssport. Er schwamm er in der Bundesligamannschaft des EOSC Offenbach und gewann im Masterbereich zahlreiche Meistertitel. Lüning ist Dozent in der Trainerausbildung und Autor von Fachbüchern und DVDs.

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Holger Lüninghttps://holgerluening.de/
Holger Lüning ist Sportwissenschaftler und Schwimmtrainer mit rund 30 Jahren Erfahrung im Hochleistungssport. Er schwamm er in der Bundesligamannschaft des EOSC Offenbach und gewann im Masterbereich zahlreiche Meistertitel.

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