Freitag, 29. März 2024
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Startritual – mehr als nur Aufwärmen?

Für manch Außenstehenden, der sich die Welt des Schwimmsports im Training wie im Wettkampf von einer anderen Warte, zum Beispiel als Zuschauer erschließt, mag das Szenario ungewohnt erscheinen. Ständig kann man Menschen dabei beobachten, wie sie die Arme kreisen lassen: vor dem Körper, seitlich, über Kreuz schwingend und schüttelnd. Ist dies ein Ritual, das sich bei den Schwimmern verselbstständigt hat oder steckt da doch ein wenig mehr dahinter, mag man sich fragen.

Jahrzehntelanges Startritual

Zufall kann es irgendwie nicht sein. Und wer den bekanntesten Schwimmer der Welt beobachtet, sieht es wieder. Die in gebückter Starthaltung hinter dem Oberkörper schwingenden Arme gehören seit Jahrzehnten zum Startritual eines Michael Phelps. Ein automatisiertes Ritual, das ihm selbst in den speziellen Momenten der unmittelbaren Vorbereitung das klare Signal gibt: Zeit für eine individuelle Höchstleistung. Was kann man daraus lernen?

Rein physiologisch betrachtet ist die Antriebsmuskulatur des Schwimmers im Wasser in einem ständigen Wechsel zwischen muskulärer An- und Entspannung. Dieser Wechsel muss nicht nur durch viele Trainingskilometer erlernt werden, er muss sogar ins Blut übergehen, um im entscheidenden Moment die kraftvollen Impulse zu platzieren, die schlussendlich den Vortrieb sichern.

Genauso wichtig ist es aber auch, der Muskulatur in den kurzen Phasen der Erholung, wie in der Rückholbewegung der Überwasserphase, die Entspanntheit zu geben, die es braucht, um den folgenden Kraftimpuls vorbereiten zu können. Schnelles Schwimmen geht also nur dann, wenn man auch ein Meister der bewusst erzeugten Lockerheit ist. Eine ständige Muskelkontraktion würde nämlich bereits nach wenigen Sekunden die Leistungsfähigkeit dramatisch einschränken.

Lockerheitfällt nicht vom Himmel

„Ich war einfach nicht locker!“, hört man enttäuschte Schwimmer häufig nach einem misslungenen Rennen sagen. Hört man genauer hin, dann erkennt man die Crux hinter der Enttäuschung. Denn eigentlich müsste es ja heißen: „Mir ist es nicht gelungen, im Rennen locker zu sein!“ Das hört sich schon weit mehr nach Selbstverantwortung an. Schließlich fällt Lockerheit nicht einfach so vom Himmel und ist mal da und mal nicht. Vielmehr ist die Entwicklung leistungsfördernder Lockerheit, physisch wie psychisch, ein elementarer Prozess auf dem Weg zu Bestleistungen. Und genau diese Fähigkeit könnte in einem wichtigen Rennen, ganz gleich auf welcher Leistungs- und Altersstufe, von entscheidender Bedeutung sein.

Die Verbindungen von Körper und Geist sind klar! Da, wo der Geist nicht mitspielt, oder besser gesagt, das Zepter in eine andere Richtung schwingt, kann auch der Körper seine volle Leistung nicht ausschöpfen. Insofern scheint auch das Training des Geistes, der Psyche, ein leistungsbestimmender Faktor zu sein. Und auch hier gilt: Es spielt keine Rolle, ob Sie die Olympiaqualifikation anstreben, bei einer Bezirksmeisterschaft eine persönliche Bestzeit schwimmen möchten oder ihren ersten Freiwasser- oder Triathlon-Wettbewerb erfolgreich bestehen wollen. Das Prinzip gilt immer: Lockerheit gewinnt!

Trainieren Sie Ihre Psyche auf Leistung!

Und: die konsequente Entwicklung dieser Leistungskomponente gehört zum Training dazu. Sei es über Visualisierungstechniken, autogenem Training oder der gezielten Kreation positiver Bilder oder Glaubenssätze. Trainieren Sie Ihre Psyche auf Leistung! Und das geht nur auf eine Art und Weise, nämlich mittels einer grundsätzlich positiven, realitätsnahen und attraktiven Zielvorstellung. Trainieren Sie auch im Wasser wie selbstverständlich ausschließlich dafür, schneller zu werden, so sollten Sie auch an Land Trainingsmethoden für Ihre Schaltzentrale einsetzen, die der (Weiter-)Entwicklung dienen.

Negative Gedanken sind nichts anderes als eine gezielte Herabsetzung Ihrer mentalen und damit auch körperlichen Fähigkeiten. Oder wie es amerikanische Forscher beschreiben – haben Sie Gedanken (Angst vor dem Scheitern u.ä.), die die Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen, „trainieren“ Sie vor allem eins: Ihre Low-Performance! Selbst der leistungsfähigste Körper wird, wenn sich der Geist im Low-Performance-Bereich befindet, sein Können nicht zur Geltung bringen können.

Symbolik hinter dem Ritual

Ständig die Arme auszuschütteln ist demzufolge auch ein wichtiges Signal des Körpers an Ihre Psyche: „Ich bin locker, fokussiert und bereit, eine gute Leistung abzugeben!“ Somit steckt immer auch eine ganz eigene Symbolik hinter manchem Ritual, das für einen Zuschauer lediglich wie eine gymnastische Übung aussehen mag. Wer sich der Welt des Schwimmsports jedoch nähert oder ihn selbst betreibt, der wird weit mehr erkennen. Denn nur mit Lockerheit lässt sich die Macht der Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist nutzen. In diesem Sinne: Lassen Sie die Arme kreisen und setzen Sie Ihre High-Performance frei!

Holger Lüning
Holger Lüninghttps://holgerluening.de/
Holger Lüning ist Sportwissenschaftler und Schwimmtrainer mit rund 30 Jahren Erfahrung im Hochleistungssport. Er schwamm er in der Bundesligamannschaft des EOSC Offenbach und gewann im Masterbereich zahlreiche Meistertitel.

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