Freitag, 19. April 2024

Die wiederentdeckte Leidenschaft

Ein abgerissener Knopf am Hosenbund ist schuld. Wegen so eines schnöden Knopfes hat Lutz Prauser wieder angefangen zu schwimmen. Früher ist er viel und ganz ordentlich gekrault. Lange her. Doch mit den Jahren war der Endvierziger arg träge geworden. Zu dick. Zu unbeweglich. Das sagt, beziehungsweise schreibt er selbst – in seinem jetzt vorgelegten Buch „Bahn frei: runter vom Sofa, rein ins Wasser“.

Mit einer guten Portion Selbstironie erzählt Prauser von den Jahren seit dem wegweisenden Entschluss. Prauser hatte entschieden, dass es „so“ jedenfalls nicht weiter gehen könne. Noch ein Knopf sollte keinesfalls abreißen. Die Panik, als Couchpotato zu enden, schreibt er, habe ihn zurück ins Wasser getrieben. Die heimischen Schwimmbäder werden also sein zweites Zuhause, später dann die Weiher im Erdinger Land. Prauser nennt sich selbst einen Genussschwimmer, wirklich schnell schwimmen kann er nicht. Und Kacheln zählen, das wird ihm bald zu langweilig. Deshalb nimmt sich Prauser die Seen im Großraum München vor. Eines Tages beschließt er sogar, sich wieder für einem Wettkampf zu melden.

Der grandiose Moment: „Eins werden mit dem Wasser“

Auf mehr als 300 Seiten nimmt Prauser seine Leser mit zu vielen feuchtfröhlichen Reisen im Wasser, die ihm allerdings nicht immer nur Spaß bereiten. Er berichtet von wildgewordenen Gänsen und aggressiven Hundehaltern, von Starkregen und von einem ganz fiesen Typen: dem inneren Schweinehund. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz, dieser Mann lässt sich nur ganz selten unterkriegen. Immer wieder sucht und findet er diesen grandiosen Moment, den jeder Viel-Schwimmer gut kennt: „Eintauchen, los krauen und völlig eins werden mit dem nassen Element.“

Prauser erzählt längst nicht nur von langen Trainingseinheiten und grandiosen Schwimmausflügen im Freiwasser. Er berichtet auch von jenen Freunden, die ihn motiviert haben, überhaupt wieder mehr Sport zu treiben. Von Alex zum Beispiel, mit dem er mehrere Leidenschaften teilt. Etwa das Lachen über schlechte Witze und die Freude an politischen Unkorrektheiten. Prauser nimmt die Leser auch mit in seine Familie, erzählt von den Töchtern, die die Augen verdrehen als der Papa sich allen Ernstes eine knallenge Speedo zulegt. Der knappe Kommentar der Sprösslinge: „Das ist peinlich.“ Der Papa indes antwortet schnippisch: „Mir wurscht, ich ziehe sie trotzdem an. Ihr müsst ja nicht mitkommen.“

Buch von Lutz Prauser
Lutz Prauser Aus dem Buch von Lutz Prauser.

25 Seen um München

Augenzwinkernd kategorisiert Prauser seine Mitschwimmer. Damen und Herren, die Aqua-Gymnastik betreiben, nennt er zum Beispiel „Moderlieschen“. Vom „Kampfkraulern“ halte er sich immer respektvoll auf Distanz.

Vor dem ersten Ausflug ins Freiwasser muss ein Neoprenanzug her. Die An- wird zur Geduldsprobe – für ihn und für die bemitleidenswerte Verkäuferin. Die Laune, schreibt Prauser, sinke proportional zum Anstieg der Lufttemperatur. Schließlich passt aber ein Neo, und der wird auch gekauft. Halleluja. „Freiwasser, ich komme.“ Bald genießt der Schwimmer das Seewasser – und wird zum Wiederholungstäter. Er fasst den Entschluss, in den vier wärmsten Monaten eines Jahres in 25 Seen und Weihern rund um München mindestens eine Stunde lang zu schwimmen.

Später startet er dann sogar beim Langstreckenschwimmen im Simssee – mit einem glasklaren Ziel: nicht Letzter werden. Nach der Ankunft: Glückshormone und Platz 36, bei 56 Teilnehmern in seiner Altersklasse.

„Bahn frei“ ist in Prausers Verlag Kollemosch erschienen und kostet 19,90 Euro.

Martin Tschepe
Martin Tschepehttp://www.bahn9.de/
Martin Tschepe ist freier Autor, Swimguide, Freiwasser- und Eisschwimmer des SV Ludwigsburg.

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