Als Mittel zur Handdesinfektion gehört Sterillium zur Grundausstattung von Krankenhäusern und Arztpraxen. Gerade jetzt sind die Plastikflaschen mit der hellblauen Flüssigkeit auf der ganzen Welt begehrter denn je, denn der segenreiche Keimkiller tötet neben Bakterien und Pilzen auch die gefürchteten Coronaviren. Erfunden hat das Mittel in den 1960er-Jahren ein Schwimmer: Peter Kalmar. Als junger Assistenzarzt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) entwickelte Kalmar die richtige Rezeptur für eine annähernd 100-prozentige Abtötung der gefährlichen Krankheitserreger.
Schwimmer in Deutschland kennen Peter Kalmar als erfolgreichen Masters. In einer normalen Woche, wenn die Bäder nicht gerade wegen Corona geschlossen sind, spult der 85-Jährige noch immer ein beachtliches Programm ab. Jede Woche geht er mehrmals zum Training bei der SG Hamburg West. Seine Spezialstrecken sind lang und hart. Über 200 Meter Schmetterling (8:03,31 Minuten), 400 Meter Lagen (11:51,85 Minuten) und 800 Meter Freistil (18:28,54 Minuten) schwamm Kalmar letztes Jahr deutsche Rekorde in der AK 85. Im Sommer reiste er zur WM nach Südkorea und gewann im Freiwasser über drei Kilometer die Silbermedaille. Im Pool lief es noch besser. Dort wurde er über 200 Meter Schmetterling Weltmeister.
Herzchirurg und Mastersschwimmer
Schon vor seinen Erfolgen im Wasser hatte Kalmar ein bewegtes Leben. Wer seine Biografie auf Wikipedia liest, kommt aus dem Staunen kaum heraus. 1934 in Budapest geboren, flüchtete er 1956 in den Wirren des Volksaufstands aus Ungarn nach Deutschland. Nach seinem Studium in Hamburg machte er Karriere an mehreren Krankenhäusern, ehe er ans UKE zurückkehrte. 1968 wurde er Oberarzt, sechs Jahre später Professor und 1987 übernahm Kalmar schließlich die Leitung der UKE-Herzchirurgie. Als Mitglied eines Operationsteams gelang ihm 1993 die erste Doppeltransplantation von Herz und Leber in Deutschland.
Der Rissener Rundschau erzählte Kalmar nun, wie er auf die Idee kam, ein Mittel zur Handhygiene zu entwickeln. „Drei Patienten haben ihre Herz-Ops überlebt, sind dann aber elendig an Keiminfektionen zugrunde gegangen. Das ging mir unter die Haut.“ Einmalhandschuhe gab es damals nicht, stattdessen badeten die Chirurgen ihre Hände in einer Tinktur aus 96-prozentigem Alkohol oder in Formaldehyd, berichtet Kalmar dem Blatt. Doch diese Mittel griffen die Hände an, wirkten nicht lange und waren noch nicht einmal wirklich Keimfrei. Gemeinsam mit einem Chemiker der Firma Bode & Co. gelang Kalmar der Durchbruch. „Alle Bestandteile gab es, wir mussten nur das richtige Verhältnis finden.“
„Das Schwimmen fehlt mir“
Reich wurde Kalmar mit Sterillium nicht. Alle Patente liegen bei Bode & Co. „Sonst sähe mein Bankkonto heute anders aus“, sagt er. Während der Corona-Pandemie bleibt Kalmar nun mit seiner Frau zu Hause in Hamburg-Blankenese. Angst habe er wegen der Seuche nicht. „Ich passe auf mich auf, und meine Frau passt auf mich auf.“ Nur auf eins könne er in dieser Zeit nur schwer verzichten. „Das Schwimmen fehlt mir.“