Donnerstag, 28. März 2024

Ein Bonsai-Bad auf Rädern

Martin Tschepe Das kleine Schwimmbecken kann von einem LKW gezogen werden.

Wundine on Wheels, so heißt das neueste Projekt der Stuttgarter Josef Wund Stiftung. Schwimmen lernen auf Rädern! “Was ist das jetzt?” Diese Frage habe sie sich zunächst selbst gestellt, als sie erstmals von dem Vorhaben gehört habe, erzählt Theresa Schopper auf dem Opernvorplatz in Stuttgart. Die baden-württembergische Kultusministerin ist die Schirmherrin von “Wundine on Wheels”. In dem mobilen Bad – einem vollausgestatteten Lehrschwimmbecken auf sechs Rädern – sollen künftig Schwimmkurse für fünf- bis achtjährige Kinder stattfinden. Zunächst in einem Karlsruher Stadtteil, später dann in vielen Ecken des Landes und womöglich auch in anderen Bundesländern. Die Stiftung würde gern weitere rollbare Becken – Kosten rund eine Viertelmillion Euro – bauen lassen. Gesucht werden weitere Sponsoren.

Das Becken in dem ausrangierten, komplett umgebauten und fast 14 Meter langen Container misst sechs Meter und ist gut einen Meter tief. Das fahrbare Bad ist ausgestattet mit Umkleideraum, Duschen und mit einem WC. Das Wasser werde mithilfe einer modernen, sehr sparsamen Wärmepumpe binnen 24 Stunden auf rund 31 Grad aufgeheizt, erzählt Jürgen Laub, der Chef der Firma Industrie und Metall Bearbeitung Laub aus Sachsenheim im Kreis Ludwigsburg, die das Bad auf Rädern entwickelt und gebaut hat.

Martin Tschepe Hier sollen Kinder bald erste Schwimmerfahrungen machen.

Sechs Kinder gleichzeitig

Eine der wichtigsten Projektpartnerinnen der Wund Stiftung bei diesem Projekt ist die Deutsche Kinder Sport Akademie. Matthias Nagel, der Leiter der Deutschen Kinder Schwimm Akademie, Teil der Sport Akademie, sagte bei der offiziellen Vorstellung von Wundine, das kleine Becken sei bestens geeignet, um zeitgleich bis zu sechs Kinder an das Wasser zu gewöhnen und ihnen die ersten Bewegungsabläufe beim Schwimmen beizubringen. Etwa das Gleiten und das Drehen im Wasser. Eine Schwimmeinheit dauere 45 Minuten und es sei möglich täglich bis zu 60 Kinder zu erreichen. Im Anschluss an diese erste Wassergewöhnung seien freilich weitere Schwimmstunden erforderlich, möglichst in einem größeren Becken.

Der erste Praxiseinsatz beginnt voraussichtlich Anfang Oktober in Karlsruhe-Wettersbach. Bis Ende dieses Jahres sollen dort Kindergartenkinder und Grundschüler erste Erfahrungen im Wasser machen. Die Mädchen und Buben werden von Schwimmlehrkräften der örtlichen Bildungseinrichtungen und von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Kinder Sport Akademie unterrichtet. Für das nächste Jahr hat die Stiftung bereits einige Anfragen von Städten und Gemeinden, unter anderem aus dem Rems-Murr-Kreis.

Keine Konkurrenz zu Schwimmvereinen

Der Geschäftsführer der Josef Wund Stiftung, Christoph Palm, sagt: “Wir wollen eine Lücke füllen”, sprich das Lehrschwimmbecken an Orte bringen, die kein eigenes Bad haben. Keinesfalls wolle die Stiftung aber in Konkurrenz treten zu den Schwimmvereinen oder zur DLRG. Zu den Projektpartnern gehören unter anderem der Badische und der Württembergische Schwimmverband. Mit Blick auf Wundine erklärt Palm augenzwinkernd, die Stiftung und ihre Partner hätten ein Bad “auf Bonsaigröße geschrumpft”, das aber allen Anforderungen entspreche.

Der Hintergrund für das Engagement der Wund Stiftung ist traurig: In Deutschland ertrinken nach wie vor viele Menschen, weil sich nicht schwimmen können. Die DLRG hat erhoben, dass rund 60 Prozent aller Grundschüler nach Klasse vier nicht beziehungsweise nicht gut genug schwimmen können – obwohl es in den Lehrplänen heißt, die Schüler sollten im Unterricht schwimmen lernen. Laut einer Aussage des Prokuristen der Stiftung, Günter Geyer, sind bundesweit in den vergangenen fünf Jahren 2002 Menschen ertrunken. Rund 25 Prozent aller Grundschulen hätten kein Bad in der Nähe, regelmäßiger Schwimmunterricht sei deshalb unmöglich. Eine Lösung: das “bundesweit einmalige”, mobile Wundine-Bad in dem LKW-Auflieger.

Das Wundine-Maskottchen ist übrigens ein Otter, denn dieser hervorragende Taucher und Schwimmer kommt als Nichtschwimmer auf die Welt, so wie alle Menschenkinder auch. Otter wie Mensch müssen das Schwimmen also erst erlernen. Otter beginnen damit im Alter von zwei Monaten. Menschen sollten, sagen Schwimmfachleute, spätestens mit fünf Jahren damit anfangen – im Freibad, im Hallenbad oder eben im Bonsai-Wundine-Becken.

Hinweis: Der Artikel erschien zuerst in der Stuttgarter Zeitung.

Martin Tschepe
Martin Tschepehttp://www.bahn9.de/
Martin Tschepe ist freier Autor, Swimguide, Freiwasser- und Eisschwimmer des SV Ludwigsburg.

Verwandte Artikel

- Anzeige -

Letzte Artikel