Dienstag, 19. März 2024
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Warum Schwimmen ein bisschen wie Fliegen ist

Schwimmen ist einzigartig! Diesen Satz werden Sie vielleicht schon einmal gehört haben. Doch neben der emotionalen Besetzung dieser Aussage, ist diese Einzigartigkeit auch in der objektiven Beschreibung der Sportart Schwimmen wiederzufinden. Denn in keinen anderen Sport bewegt man sich als Lebewesen in einem fremden Medium, ohne von einem Gerät unterstützt zu werden. Als Taucher im Wasser kann man immerhin auf die Hilfe von Sauerstoffgerät und Flossen zurückgreifen. Und auch als Fallschirmspringer im freien Fall genießt man, obwohl ohne Halt unterwegs, immerhin die Unterstützung eines Schirms, der einen rechtzeitig sanft zu Boden gleiten lässt.

Als Schwimmer jedoch, sind Sie auf die Hilfe Ihrer Extremitäten und die optimale Lage im Wasser angewiesen, um nicht unterzugehen. Dort, wo sich Fische und im Meer lebende Säugetiere in ihrem natürlichen Umfeld bewegen, erschließt sich der Schwimmer im wahrsten Sinne völlig neue Welten. Hinzu gesellt sich der sportive Ehrgeiz, nicht nur zu überleben, sondern sich so schnell wie möglich fortbewegen zu wollen. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich die Vorbedingungen einmal deutlich vor Augen führt. Mit brachialer Muskelkraft zu agieren, hilft vielleicht über eine kurze Dauer. Wer jedoch über die definierten Wettkampfstrecken gute und sehr gute individuelle Leistungen erzielen möchte, der kommt nicht umhin, sich mit dem Medium Wasser auseinander zu setzen. Der wissenschaftliche Begriff hinter dem Phänomen lautet: Hydrodynamik.

Fläche trägt!

Ein Blick in die Geschichtsbücher der Wissenschaft zeigt aber auch deutlich, dass es offensichtlich Parallelen zwischen den Strömungslehren von Wasser und Luft, also der Aerodynamik, gibt. So ist es vor allem dem Schweizer Physiker Daniel Bernoulli (1700-1782) zu verdanken, dass man die Gesetzmäßigkeiten der Druckrichtungen und der Strömungen nicht nur für das Fliegen zielgerichtet einsetzen konnte. Da es dem Schwimmer ähnlich ergeht wie einem Flugobjekt, nämlich dem Drang zu widerstehen, abzusinken, erkannte man, dass der sogenannte Bernoulli-Effet auch für das Schwimmen von hoher Relevanz ist.

Kurz gesagt: Einem Schwimmer muss es gelingen, an der Körper-Unterseite, analog zu einer Tragfläche bei einem Flugzeug, einen hohen Druck zu erzeugen. Die Anströmung des Wassers ist demzufolge wichtig, um eine gute Wasserlage zu erzielen. Kann man die Unterseite des Körpers demnach als Tragfläche bezeichnen? Unternehmen Sie einen Versuch im Schwimmbecken: Legen Sie sich einmal wie eine Kugel und ein weiteres Mal flach mit ausgestreckten Armen und Beinen auf die Wasseroberfläche. Was bemerken Sie? Je mehr Fläche Sie erzeugen, umso stabiler und auch länger liegen Sie hoch im Wasser. Die Erkenntnis: Fläche trägt!

Wale und Delfine als Vorbilder

Legen Sie sich hingegen übermäßig auf die Seite, beispielsweise mittels einer übertriebenen Beckenrotation, so verringern Sie die tragende Fläche und sinken ab. Ein kausaler Zusammenhang erklärt, weshalb man sich in der Natur die passenden Beispiele aussuchen sollte. Da die im Meer lebenden Säugetiere regelmäßig, analog zum Menschen, schwimmend zum Atmen an die Wasseroberfläche steuern müssen ist der Vergleich mit den Säugetieren den menschlichen Vorbedingungen deshalb viel näher als der Vergleich mit den über ihre Kiemen atmenden Fischen.

Unsere Vorbilder Wale und Delfine bewegen Ihre Flossen immer in einer Aufwärts-Abwärts-Amplitude. Sie tun das, um die Wasseroberfläche besser ansteuern zu können. Sie stellen den Körper gemäß den Regeln der Hydrodynamik so, dass sie nach oben steuern können. Die Anströmung des Wasserdrucks bringt diese Säugetiere an die Wasseroberfläche. Genau so, wie es der Schwimmer tun muss.

Heben Sie ab!

Verstehen Sie die Fläche des Körpers deshalb als Tragfläche! Bringen Sie viel Körperfläche in einen flachen Anstellwinkel, so erzeugen Sie Auftrieb und liegen hoch im Wasser. Zusätzlich sorgt diese Stabilität für eine geringe Stirnfläche und somit optimale Frontalwiderstände. Die Voraussetzung für schnelles, effektives und ökonomisches Schwimmen!

So ist es auch kein Zufall, dass alle Spitzenschwimmer eine ähnliche Körperstatur besitzen. Oder anders gesagt: es ist die Voraussetzung, um sehr schnell zu schwimmen. Ein Blick auf die Eliteschwimmer zeigt es deutlich. Proportional zeigt sich bei den Ausnahmekönnern immer ein relativ langer und zudem flacher Oberkörper mit einer breiten Schulterpartie zu relativ kurzen Beinen. Die größere Fläche im Vergleich zu einer gleichmäßigen Proportion erzeugt höhere Auftriebswerte und ermöglicht eine höhere Wasserlage. Ein sehr guter Läufer hingegen verfügt über einen tendenziell kürzeren Oberkörper und relativ lange Beine. So bleibt am Ende eine einfache Formel: Viel Fläche trägt und bringt Sie zum Abheben!

Holger Lüning
Holger Lüninghttps://holgerluening.de/
Holger Lüning ist Sportwissenschaftler und Schwimmtrainer mit rund 30 Jahren Erfahrung im Hochleistungssport. Er schwamm er in der Bundesligamannschaft des EOSC Offenbach und gewann im Masterbereich zahlreiche Meistertitel.

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