Dienstag, 19. März 2024
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Analyse | Das Feld über 1.500 Meter verdichtet sich

Sprintstrecken sind beim Schwimmen besonders beliebt. Die Rennen sind kurzweilig, actiongeladen und die Entscheidungen fallen innerhalb weniger Bruchteile einer Sekunde. Doch auch die längeren Strecken erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, nicht zuletzt durch Florian Wellbrock.

Frank Wechsel Die Olympischen Spielen in Tokio. Auf den Bahnen drei, vier und fünf schwimmen Bobby Finke, Mykhailo Romanchuk und Florian Wellbrock.

Lange Strecken beim Schwimmen sind langweilig und die Action passiert ganz woanders? Das mag manchmal stimmen, zum Beispiel bei vergangenen Weltmeisterschafts- oder Olympiarennen, wenn Katie Ledecky allein auf weiter Flur allen davon schwamm und die Siegerin schon vor dem Startsignal feststand. Aber das Blatt hat sich gewendet. Besonders auf den langen Strecken der Männer scheint es keinen Athleten mehr zu geben, der in einer ganz eigenen Liga schwimmt. Das Feld ist zusammengerückt und die Vorleistungen in diesem Jahr versprechen Spannung bei den kommenden Wettkampfhöhepunkten. Wir geben einen Überblick.

2018: Ein Deutscher und ein Ukrainer schwimmen in die Weltspitze

Bei den Europameisterschaften 2018 in Glasgow schwamm Florian Wellbrock zu seiner ersten internationalen Goldmedaille. In 14:36,15 Minuten unterbot er seinen erst wenige Monate alten deutschen Rekord um rund vier Sekunden und ließ in einem knappen Finish den Ukrainer Mykailo Romanchuk hinter sich und verwies Gregorio Paltrinieri aus Italien mit sechs Sekunden Rückstand auf den Bronzerang. Paltrinieri hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst in der Weltspitze etabliert, durfte zwei Weltmeistertitel (2015 und 2017) und Olympiagold (2016) über diese Strecke sein Eigen nennen. Bei den Weltmeisterschaften 2019 wiederholte sich das Ergebnis: Wellbrock siegte vor Romanchuk und Paltrinieri.

Peter Jacob / spomedis Europameisterschaften 2018: Florian Wellbrock siegt über 1.500 Meter Freistil vor Mychailo Romanchuk (rechts) und Gregorio Paltrinieri (links).

Seit 2019 ist über die längste Freistilstrecke im Becken viel passiert und neue Namen drangen auf den Plan. Mit den Ergebnissen seit 2021 und besonders der vergangenen zwei Wochen deutet sich bei den Weltmeisterschaften im Sommer ein großer Showdown an, bei dem kaum jemand vorhersagen mag, wer das Rennen für sich entscheiden wird.

2023: Ein Ire überrascht

Wenige Wochen ist es erst her, dass sich ein Newcomer über 1.500 Meter Freistil ins Rampenlicht drängte. Der Ire Daniel Wiffen verbesserte seine Bestzeit in Stockholm um fast 17 Sekunden auf 14:34,91 Minuten. Eine enorme Steigerung, die nach Wiffens 800-Meter-Europarekord auf der Kurzbahn im Dezember 2022 aber nicht völlig überraschend kam. Florian Wellbrock legte bei den Berlin Swim Open nach, verbesserte seinen deutschen Rekord auf 14:34,89 Minuten. Mit Lukas Märtens (14:40,85), Oliver Klemet (14:45,89) und Sven Schwarz (14:49,22) lieferten in Berlin drei weitere deutsche Athleten Weltklassezeiten unter 14:50 Minuten ab, die bei der letzten WM für gute Finalplatzierungen gereicht hätten. Dürfte eine Nation mehr als zwei Athleten über eine Strecke für die Weltmeisterschaften nominieren, stünden die Chancen gut, die vier Deutschen in einem WM-Finale zu sehen. Aber die Regeln des Weltschwimmverbands World Aquatics erlauben das nicht.

In Tokio tritt ein Amerikaner auf den Plan

Bei bei den Olympischen Spielen in Tokio drängte sich ein junger Athlet auf den Plan, der vorher völlig unbekannt war. Während Florian Wellbrock über 1.500 Meter Freistil und auch über 800 Meter Freistil als Erster auf die letzte Bahn ging, ging Olympiagold in beiden Fällen an Bobby Finke. Der US-Amerikaner schwamm zu Gold, in dem er auf der letzten Bahn kaum fassbare 25,78 Sekunden ins Wasser brachte und damit allen davonzog. Wellbrock konnte mit seinen abschließenden 50 Metern in 27,76 Sekunden nicht mithalten und wurde sogar noch von Romanchuk (Schlussbahn in 26,78 Sekunden) auf den dritten Platz verwiesen.

Frank Wechsel Mit ihm hatte niemand gerechnet: Bobby Finke (rechts) schwimmt bei den Olympischen Spielen in Tokio über 1.500 Meter Freistil zu Gold und verweist Florian Wellbrock auf Rang drei.
Frank Wechsel Lukas Märtens gehört schon längst nicht mehr zu den unbekannten Athleten. Bei der WM 2022 schwamm er über 1.500 Meter Freistil auf Rang vier.

Bei der WM ein Jahr später in Budapest bemühte Wellbrock sich um eine höhere Endgeschwindigkeit, schwamm die letzten 50 Meter im 1.500-Meter-Freistil-Finale in 26,86 Sekunden. Und musste Finke trotzdem erneut an sich vorbeiziehen lassen. Diesmal legte der US-Amerikaner die letzten 50 Meter in 26,10 Sekunden zurück. Für die beste Endzeit sorgte dennoch ein anderer: Gregorio Paltrinieri hatte sich auf der Außenbahn so weit abgesetzt, dass er trotz seiner bekannten Spurtschwäche nicht mehr eingeholt werden konnte (14:32,80 Minuten). Den längsten Teil der Strecke lag er sogar unterhalb des Weltrekords, den der, mittlerweile wegen Dopings gesperrte Chinese Sun Yang 2012 aufstellte. Romanchuk, der in Budapest das Podium auf Platz fünf hinter Lukas Märtens (14:40,89 Minuten) verpasste, legte kurz darauf bei den Europameisterschaften nach. In 14:36,10 Minuten schwamm er schneller als Wellbrock oder Finke bis dahin jemals.

Die Ausgangssituation zu Beginn 2023

Zu Beginn des Jahres 2023 gab es weltweit erst drei Menschen, die über 1.500 Meter Freistil schneller als 14:36 Minuten waren.

  1. Sun Yang, der bei den Olympischen Spielen 2012 in 14:31,02 den noch heute gültigen Weltrekord aufstellte. Der Chinese wurde 2021 rückwirkend und bis zum 28. Februar 2024 für vier Jahre gesperrt.
  2. Gregorio Paltrinieri, der bei den Weltmeisterschaften 2022 14:32,80 Minuten ins Becken brachte
  3. Grant Hackett, der bei den Weltmeisterschaften 2001 14:34,56 Minuten schwamm, seine Karriere jedoch 2008 beendete.

Mit Wellbrock und Wiffen stehen nun zwei weitere Athleten auf dieser Liste. Geht man davon aus, dass Olympiasieger Finke sich bei den US-Trials für das WM-Team qualifiziert, treffen in Fukuoka einige Hochkaräter aufeinander, die ein spannendes Rennen versprechen. Aus deutscher Sicht ist nicht nur Florian Wellbrock, der bei internationalen Höhepunkten schon mehrfach über diese Strecke triumphierte, ein Athlet, den man im Auge behalten sollte. Auch Lukas Märtens, mit seiner Bestzeit von 14:40,28 Minuten (geschwommen im März), ein Anwärter auf einen vorderen Platz.

Jule Radeck
Jule Radeck
Jule Radeck studierte Sportwissenschaften, bevor sie als Volontärin nach Hamburg zog. In ihrer Freizeit findet man sie oft im Schwimmbecken, manchmal auf dem Fahrrad und selten beim Laufen.

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